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Sacha Wigdorovits: «Nemos Boykottaufruf belohnt die Hamas»

Im Tages-Anzeiger vom 14. Mai schreibt Sandro Benini, der frühere Schweizer ESC-Teilnehmer Nemo habe recht, wegen des Kriegs in Gaza den Ausschluss der israelischen Vertreterin vom Europäischen Song Contest ESC zu fordern.

Nemos Aufforderung – und des Tages-Anzeigers Unterstützung – die israelische Sängerin Yuval Raphael vom ESC auszuschliessen, ist deplatziert und falsch.

Erstens würde dieser Boykott auf dem Rücken einer jungen Frau ausgetragen, die selbst Opfer des Massakers am 7. Oktober 2023 war, als die palästinensische Terrororganisation Hamas auf bestialische Art und Weise über 1200 Israelis ermordete – Babys, Kinder, Frauen und Männer allen Alters.

Zweitens, und das ist das Wichtigste: Ein Ausschluss Israels vom ESC würde aus Opfern Täter und aus Tätern Opfer machen. Denn er würde stipulieren, dass am Krieg in Gaza und den schrecklichen Auswirkungen, die er auf die dortige Zivilbevölkerung hat, Israel schuld sei.

Genau das stimmt nicht. Schuld an diesem Krieg und den getöteten Zivilisten, worunter viele Frauen und Kinder, ist einzig und allein die Terrororganisation Hamas.

Nicht nur hat die Hamas mit ihrem Massaker am 7. Oktober 2023 diesen Krieg ausgelöst. Sondern sie hat danach die eigene Bevölkerung – und nicht bloss über 250 Israelis – in Geiselhaft genommen.

Denn zur menschenverachtenden Strategie der Hamas gehört es, sich in zivilen Anlagen wie Spitälern und Schulen oder in Wohngebieten zu verstecken – und zum Kampf ihre Uniform gegen zivile Kleider einzutauschen, damit man sie von Zivilisten nicht unterscheiden kann.

Mit dieser zynischen «menschliche Schutzschilder»-Strategie opfert Hamas ganz bewusst die eigene Bevölkerung. Sie tut dies nicht bloss zu ihrem eigenen Schutz, sondern auch für Propagandazwecke.

Denn Israel wird dadurch gezwungen, beim Kampf gegen die Hamas zivile Opfer in Kauf zu nehmen. Und jedes von ihnen wird von Hamas gegenüber den Medien und der Bevölkerung im Westen als Beispiel für die Unmenschlichkeit Israels präsentiert.

Mit dieser Täter-Opfer-Umkehr lenkt Hamas ab von der eigenen – alleinigen – Verantwortung für das, was als Folge des 7. Oktobers in Gaza geschehen ist.

Dass die Terrororganisation mit dieser perfiden Propagandastrategie Erfolg hat, zeigen die Pro-Palästina-Demonstrationen auf unseren Strassen. Oder eben: Der Aufruf Nemos, Israel zu boykottieren, und der Kommentator des Tages-Anzeigers, der dies richtig findet.

Dass Israel bei seinen Angriffen alles unternimmt, um die zivile Bevölkerung so gut wie es nur geht zu verschonen, spielt dabei keine Rolle.

Denn was für Nemo und seine vielen Gleichgesinnten in Europa zählt, sind nur die schrecklichen Bilder aus Gaza.

Doch Bilder können trügerisch sein. Denn Bilder sind immer bloss eine Momentaufnahme. Sie erzählen weder die Vorgeschichte noch den Kontext. Und der Kontext ist in diesem Fall, dass der Auslöser für das Leid in Gaza die Hamas ist und nicht Israel.

Israel vom European Song Contest auszuschliessen, würde deshalb das Signal senden, dass sich Terrorismus und Barbarei lohnen. Das ist das letzte Signal, was ein europäischer Gesangswettbewerb oder sonst jemand, aussenden sollte. Auch nicht Nemo und schon gar nicht der Tages-Anzeiger.

Sacha Wigdorovits ist Gründer des gemeinnützigen Vereins Fokus Israel und Nahost, der die Webseite www.fokusisrael.ch betreibt. Er war früher als Redaktor unter anderem für den Tages-Anzeiger und die SonntagsZeitung tätig, Chefredaktor des Blick und Mitbegründer von 20minuten. Er führt heute eine Kommunikationsagentur.

Ergänzende Ausführungen

Wegen Platzbeschränkungen konnte der Kommentar im Tages-Anzeiger nicht in voller Länge erscheinen. Nachfolgend finden sich zentrale Auszüge aus dem nicht publizierten Teil, die wichtige faktische und rechtliche Hintergründe liefern.

Zivilisten als Schutzschild

Dies untersucht und dokumentiert unter anderem die englische NGO «Henry Jackson Society» in einem ausführlichen Report über die «Schutzschildstrategie der Hamas in Gaza» und wie die Anführer der Hamas diese schon seit vielen Jahren auch öffentlich bestätigen, wie etwa Fathi Hammad (2008, Al Aqsa TV). Er erklärte offen, dass die Bevölkerung gezielt als Schutzschild eingesetzt werde, um israelische Angriffe zu erschweren: «Für das palästinensische Volk ist der Tod zu einer Industrie geworden, in der sich die Frauen auszeichnen, und das gilt auch für alle Menschen, die auf diesem Land leben. Das ist der Grund, warum sie menschliche Schutzschilde aus den Frauen, den Kindern, den Alten und den Mudschaheddin gebildet haben, um die zionistische Bombenmaschinerie herauszufordern.»Ismail Haniyeh (2023, Mayadeen TV) betonte, dass Hamas das Blut von Frauen und Kindern brauche, um die «revolutionäre Entschlossenheit» zu stärken.

Völkerrechtliche Klarstellung

Die israelischen Angriffe, so schlimm sie für die Zivilbevölkerung in Gaza sind, stellen keine Kriegsverbrechen dar. Denn in Artikel 19 des «Genfer Abkommens über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten», besser bekannt als «Genfer Menschenrechtskonvention», steht: «Der den Zivilspitälern gebührende Schutz darf nur aufhören, wenn sie ausserhalb ihrer humanitären Aufgaben zur Begehung von Handlungen verwendet werden, die den Feind schädigen.» Spitäler und andere zivile Einrichtungen sind also nicht mehr durch die Menschenrechtskonvention geschützt, wenn sie für militärische Zwecke missbraucht werden. Dies verdeutlicht auch das Zusatzprotokoll I zum Genfer Abkommen. Dort heisst es: «Die Anwesenheit der Zivilbevölkerung oder einzelner Zivilpersonen darf nicht dazu benutzt werden, bestimmte Punkte oder Gebiete vor militärischen Operationen zu schützen, insbesondere nicht vor Angriffen.»

Hilfsgüter

Israel darf Hilfslieferungen verweigern, wenn konkrete Hinweise vorliegen, dass sie Hamas zugutekommen. Zwar sind die Konfliktparteien im Normallfall dazu verpflichtet, solche Transporte zuzulassen. Aber Artikel 23 der Genfer Menschenrechtskonvention hält auch fest, dass diese Verpflichtung nur dann besteht, wenn «keine ernsthaften Gründe dagegensprechen.» Als solche «ernsthafte Gründe» nennt das Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK unter anderem:«Dass diese Hilfsgüter auch den Kämpfern (der Gegenpartei, Red.) zugutekommen würden.»

Genau dies ist in Gaza geschehen. Es sind zahlreiche Fälle mit Videos und Augenzeugenberichten dokumentiert, wie Terroristen der Hamas sich der Hilfsgütertransporte bemächtigten, die Hilfsgüter gestohlen und anschliessend für eigene Zwecke gebraucht oder auf dem Schwarzmarkt für überhöhte Preise an die Bevölkerung verkauft haben. Gemäss einem Bericht des Wall Street Journals hat die Unterbindung dieser Aktivitäten durch Israel dazu geführt, dass Hamas zu wenig Geld hatte, um die eigenen Kämpfer zu bezahlen. Also etwas, das genau zu jenen «ernsthaften Gründen» gehört, welche das Verhindern von Hilfslieferungen gemäss der Genfer Menschenrechtskonvention und dem IKRK erlauben. Auch der Vorwurf, Israel begehe mit dem Zurückhalten der Hilfsgüter Menschenrechtsverletzungen oder gar Kriegsverbrechen, ist deshalb falsch.

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