6. Juni 2025
Meister des Doppelspiels: Netanyahu führt Israel in die Isolation
«Der jüdische Staat befindet sich in der besten strategischen Lage seit seiner Gründung. Doch Israels Ministerpräsident droht seine Errungenschaften zu verspielen. Netanyahus Kompromisslosigkeit gefährdet internationale Allianzen und den inneren Frieden», kommentiert Jonas Roth, NZZ. Eine Zusammenfassung:
Am 15. September 2020 unterzeichnen die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrains sowie Israel unter Mitwirken der USA das Abraham-Abkommen. Sie vereinbaren, diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen aufzunehmen. «Es ist ein historischer Friedensschluss – im Nahen Osten scheint eine neue Ära anzubrechen», so die NZZ. In der Folge bahnt sich eine Annäherung mit Saudi-Arabien an. Doch dann greift die Hamas Israel an.
Innenpolitischer Widerstand wächst
Heute, fast zwei Jahre später, ist Israel ist zunehmend isoliert, der Gaza-Krieg dauert an. Doch innenpolitisch wächst der Widerstand. 70 Prozent der israelischen Bevölkerung fordern laut Umfragen ein Ende des Kriegs. Auch bei den Reservisten, auf deren Einsatz die israelische Armee angewiesen ist, macht sich Erschöpfung und Ablehnung breit: Viele folgen Einberufungen nicht mehr, weil sie Netanyahus Kurs nicht mittragen wollen. Das gefährdet nicht nur die militärische Schlagkraft, sondern auch die Wirtschaft, da Reservisten oft zentrale zivilberufliche Funktionen ausüben.
Gleichzeitig treiben rechtsextreme Koalitionspartner die Regierung weiter voran. Sie sehen im Krieg die Chance, Gaza zu besiedeln und das Westjordanland zu annektieren. Als Netanyahu im Januar einer Feuerpause zustimmte, verliess Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir aus Protest die Regierung – und kehrte erst zurück, als Israel die Waffenruhe aufhob.
Hamas zu zerstören, ist legitim
«In Israel sind deshalb viele überzeugt, dass Netanyahu diesen Krieg nur noch führt, um seine Macht zu erhalten. Das ist jedoch nur ein Teil der Wahrheit. Der Anspruch, die Hamas zu zerstören und den Gazastreifen langfristig zu befrieden, ist legitim», schreibt die NZZ.
Auch international wird die Kritik lauter. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz äussert Zweifel an der Verhältnismässigkeit des israelischen Vorgehens. US-Präsident Donald Trump, einst Netanyahus wichtigster Verbündeter, agiert zunehmend unabhängig von Israel. Waffenlieferungen und diplomatische Rückendeckung sind nicht mehr selbstverständlich.
«Netanyahu steht vor einer Wahl: Beharrt er auf seinem kompromisslosen Kurs, gefährdet er internationale Allianzen und den inneren Frieden in Israel. Auf der anderen Seite winkt nach wie vor das Szenario eines Nahen Ostens, in dem Saudiarabien und Israel ihre Beziehungen normalisieren, gemeinsam mit den USA gegen die iranischen Ränkespiele vorgehen und die Machtbalance in der Region langfristig verändern. Dafür müsste Israels Regierung allerdings den Krieg beenden und den Palästinensern zumindest in Ansätzen einen politischen Horizont bieten», schliesst die NZZ.
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