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Schande von Basel: Mario Fehr kritisiert Basler Behörden

An der diesjährigen Jahresversammlung beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund hat der Sicherheitsdirektor des Kantons Zürich, Regierungsrat Mario Fehr (parteilos), schwere Kritik an der Basler Regierung und Polizei für ihr Verhalten während des Eurovision Song Contests ESC geübt.

Fehr sprach von der «Schande von Basel». Er bezog sich dabei insbesondere auf den Umstand, dass eine gegen Antisemitismus gerichtete Mahnwache zunächst nicht bewilligt worden war, dass aber antisemitische Demonstrationen auf den Strassen toleriert wurden.

In seiner Ansprache appellierte Fehr an die Politik auf allen Ebenen, schneller und entschiedener gegen den um sich greifenden Antisemitismus vorzugehen: «Es geht uns alle an: Nicht passiv zuschauen, wie Judenfeinde Woche für Woche weiter Terrain gewinnen, ohne dass etwas dagegen passiert. Wir alle sind gemeinsam gefordert! Es muss auch in der Zukunft das jüdische Leben in allen Facetten hier in Zürich und in der ganzen Schweiz geben.»

Mario Fehrs Rede im Wortlaut:

Rede von Regierungsrat Mario Fehr beim Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, Zürich, 18. Mai 2025 –

Sehr geehrte Frau Stadtpräsidentin;

sehr geehrter Herr Bundesrat;

sehr geehrte Präsidenten von SIG, ICZ und Agudas Achim; IRG (weitere Organisationen); sehr geehrter Herr Rabbiner; geschätzte Damen und Herren, verehrte Gäste

Ich freue mich sehr, heute mit Ihnen allen zusammen zu sein. Hier im Gemeindesaal der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich – mitten in Zürich. Das ist wunderbar. Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Einladung. Seien Sie alle gegrüsst vom Zürcher Regierungsrat.

Dass wir gerade hier, im Enge-Quartier, sind, ist auch für mich persönlich sehr berührend – ich bin gleich hier um die Ecke ins Gymi Freudenberg zur Schule gegangen.

Ich habe dort die vielleicht prägendsten Jahre meines Lebens verbracht. Nicht unbedingt wegen der Schule oder des Schulstoffes an sich. Da hielt sich meine Begeisterung – und auch die meiner Lehrkräfte über mich – in doch recht engen Grenzen.

Nein – dank meinen Mitschülern. Sie haben unter anderem Teichmann, Rosner und Pugatsch geheissen. Ich hatte das grosse Glück, neben dem Sohn eines Rabbi (Rabbi Teichmann) zu sitzen. Und erlebte damit jüdische Kultur eingebettet in meinen Alltag.

Das war für mich als Jugendlicher ein Geschenk – jüdisches Leben als wichtigen Teil Zürichs mitzuerleben. Ob Laubhüttenfest, Purim oder Chanukka – ich durfte alles ganz natürlich erleben.

Dieses Privileg haben nicht viele. Umso wichtiger war und ist es, dem jüdischen Leben und der jüdischen Kultur Sorge zu tragen und entsprechend auch Raum zu geben. In Zürich. In der ganzen Schweiz. Als Selbstverständlichkeit!

Das war in den siebziger Jahren! Und heute?

Heute müssen wir stärker dafür kämpfen, dass jüdisches Leben in all seinen Facetten weiterhin möglich ist.

Ich weiss, dass Sie sich Sorgen machen – über das, was in Israel passiert, aber auch hier, in Zürich, in der Schweiz insgesamt. In Basel jüngst gerade besonders. Jedes Mal, wenn wir einen Konflikt erleben im Nahen Osten, gehen die Emotionen hoch. Und auch der unerträgliche Hass.

Diese wiederkehrende Erfahrung könnte aktueller nicht sein. Auch angesichts all der antisemitischen Manifestationen rund um den ESC in Basel.

Wir müssen uns immer wieder bewusst machen, dass es auch in Zeiten wie diesen selbstverständlich sein muss, dass jüdische Kultur, jüdisches Leben, jüdische Werte (wie Nächstenliebe, Gerechtigkeit) einen sicheren und unangetasteten Platz in unserer Gesellschaft haben müssen. Denn wenn es für sie keinen Platz mehr hat, dann wird bald der nächste Bereich unseres Lebens folgen, der zum Schweigen, zum Verschwinden gebracht wird.

Das alles gilt es nicht nur zu verstehen. Wir müssen auch entsprechend handeln, auf- und eintreten, aktiv sein!

Als Sicherheitsdirektor des Kantons Zürich kann ich Ihnen allen versichern, dass wir hier vor Ort im Kanton Zürich (mit den Polizeien und dem Nachrichtendienst) alles, aber auch wirklich alles tun, um Ihre Sicherheit zu gewährleisten. Wir haben von Anfang an konkrete finanzielle Beiträge zugunsten der Sicherheit jüdischer Einrichtungen geleistet. Wir tun es in hervorragender Zusammenarbeit mit allen jüdischen Gemeinden – dafür danke ich.

Aber: Auch wenn man alles unternimmt, was (einem) möglich ist, kann das Unglaubliche, das Unfassbare geschehen; so wie die IS-Messerattacke eines radikalisierten Jugendlichen mit tunesischen Wurzeln auf einen orthodoxen Juden mitten in Zürich vor rund einem Jahr (2. März 2024) – er wurde niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Ich konnte ihn vor kurzem besuchen. Sein Optimismus ist berührend, obwohl er lebenslang gezeichnet sein wird.

Die Wurzeln für solche Attacken liegen auch in der öffentlichen Demütigung von jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. So wie in Basel in den vergangenen Tagen, wo zunächst Mahnwachen gegen den Antisemitismus verboten wurden. Und gleichzeitig übelster Antisemitismus auf den Strassen toleriert wurde.

«Wir werden die Teilnahme Israels verhindern», lautete ein Slogan. Applaus erhielt er auch von der «Tages-Anzeiger»-Redaktion. Was für eine unsägliche Arroganz einer radikalen Minderheit – welch radikale Anmassung, ausgerechnet den Auftritt einer Sängerin verhindern zu wollen, die das Massaker des 7. Oktober überlebt hat!

Professor Alfred Bodenheimer hat es in seinem Gastkommentar in der NZZ in der letzten Woche (12.5.2025) auf den Punkt gebracht: «Das Verbot von Standaktionen gegen Antisemitismus kommt einer kampflosen Kapitulation vor dem Judenhass gleich.»

Bodenheimer erkennt in der Verweigerung der Basler Standaktion ein fatales «Muster» und schreibt: «Diese Verbannung jüdischer Menschen und Anliegen in die Unsichtbarkeit ist eine katastrophale Entwicklung. Sie ist eine staatlich angeordnete wohlmeinende Ghettoisierung jüdischer Gemeinschaften, die der Selbstverständlichkeit und der Legitimität jüdischen Lebens in einem Land wie der Schweiz massiven Schaden zufügt.»

Who’s next? Lässt sich angesichts dieses Musters sorgenvoll fragen.

Und die Schande von Basel steht nicht allein. Ähnliches gilt auch für Zürich! Es ist unerträglich, dass an unserer Universität der Präsident des Israelitischen Gemeindebundes an einem öffentlichen Auftritt gehindert wird und die Verantwortlichen der Universität Zürich viel zu lange einfach nur zuschauen!

Immerhin: Vor drei Tagen (15. Mai) ist das Hamas-Verbot bei uns in Kraft getreten. Das hat gedauert. Warum nur? Die Schweiz hat es gerade noch geschafft, diese Terrororganisation zu verbieten, bevor sie hoffentlich endgültig verschwindet…

Immerhin: Ebenso ist es richtig, dass die öffentliche Verwendung von Nazi-Symbolen verboten wird. Und das sollte mit einer Verankerung im Schweizerischen Strafgesetzbuch geschehen. Es stellt sich aber auch hier die Frage, warum alles so lange dauert? Der Bundesrat drückt nicht gerade aufs Tempo. Auch hier nicht.

Wenn ich mich umschaue, stelle ich fest: Es sind sehr viele Politiker und Politikerinnen heute hier! Es geht uns alle an: Nicht passiv zuschauen, wie Judenfeinde Woche für Woche weiter Terrain gewinnen, ohne dass etwas dagegen passiert.

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