3. Juni 2025
ISNAD: Ein verstecktes digitales Netzwerk ruft weltweit zur Ermordung von Juden auf
Von Tehilla Shwartz Altshuler, Times of Israel
Bevor Kugeln fliegen, bevor Botschaften angegriffen werden, bevor Parolen gewalttätig werden und bevor ein Einzeltäter einen viralen Slogan nachahmt, gibt es einen Anstieg digitaler Einflussnahme: unaufhaltsam, anonym und algorithmisch verstärkt.
Wir leben inzwischen in einer Zeit, in der Ideen zu Waffen gemacht werden, Wut gezielt erzeugt wird und das Schlachtfeld dein Social-Media-Feed ist – zum Leben erweckt.
Eine der gefährlichsten Fronten in diesem neuen Krieg ist ein Schattennetzwerk, von dem die meisten Menschen noch nie gehört haben – aber es sollten. Es heisst ISNAD, und es ist nicht einfach eine Propagandamaschine, sondern ein Prototyp einer neuen Form von diffuser, grenzüberschreitender kognitiver Kriegsführung, auf die weder Israel noch jüdische Gemeinschaften weltweit vorbereitet sind.
ISNAD ist ein dezentral organisiertes Einflussnetzwerk, das ideologisch in der Muslimbruderschaft verwurzelt und hauptsächlich in der Türkei angesiedelt ist. Es mobilisiert eine grosse Zahl von Freiwilligen zur Erstellung und Verbreitung von Inhalten und setzt dabei massiv auf generative KI-Tools für Produktion, Koordination und Übersetzung. An Spitzentagen ist ISNAD verantwortlich für erstaunliche 8–10 % der gesamten hebräischsprachigen Twitter/X-Aktivität.
Da die Schulungen und die operative Koordination von ISNAD über einen öffentlich zugänglichen Telegram-Kanal erfolgen, konnten Forschende die strategischen Botschaften des Netzwerks, seine empfohlenen Tools und seine Muster der Freiwilligenmobilisierung untersuchen.
In den letzten anderthalb Jahren hat sich das ISNAD-Netzwerk innerhalb Israels etabliert. Es produziert Hunderttausende Social-Media-Beiträge in fliessendem, emotional aufgeladenem Hebräisch, gibt sich als lokale Nutzer aus, übernimmt die Sprache der Protestbewegung und imitiert sogar Solidaritätsbekundungen mit den Familien israelischer Geiseln.
Doch letzte Woche, kurz vor dem tödlichen Schusswaffenangriff in Washington, D.C., kam es zu einem Bruch. Das Netzwerk veröffentlichte über seinen Telegram-Kanal eine Nachricht auf Arabisch, in der explizit zu Angriffen auf Juden und Israelis im Ausland aufgerufen wurde: „Unser Feind versteht nur eine Sprache – die Sprache der Kugeln, des Blutes und der Schädel.“
Dazu wurde ein Rekrutierungslink zu einem privaten Kanal geteilt – mit der Aufforderung an die Follower, sich anzuschliessen.
Im Klartext: ISNAD ist längst nicht mehr nur ein digitales Phänomen innerhalb Israels. Das Netzwerk weitet seine Einflussnahme aktiv über Israels Grenzen hinaus aus – mit gefährlichen Folgen für jüdische Gemeinschaften weltweit.
Nach dem tödlichen Angriff auf Mitarbeiter der israelischen Botschaft in Washington veröffentlichte die Gruppe eine jubelnde Nachricht: „Dies ist ein historischer Tag … Es scheint, als würden die Aufrufe zur Gewalt erste Früchte tragen.“
Es geht hier nicht nur um Desinformation – es geht um Infrastruktur. ISNAD ist ein locker koordiniertes Netzwerk ideologisch motivierter Freiwilliger, viele davon mit Nähe zur Muslimbruderschaft und zu Hamas-nahen Positionen. Sie setzen zivile Einflussstrategien ein: gefälschte Accounts, KI-generierte Persönlichkeiten, recycelte Slogans und heimliche Nutzung von Google Docs, Telegram-Bots und VPNs. Ziel ist nicht Überzeugung, sondern: Überwältigung, Verwirrung, Imitation und die Erosion gesellschaftlicher Kohäsion.
ISNAD ist Teil eines größeren Konzepts, das man als eine „kognitive Feuerlinie“ bezeichnen kann: eine mehrgleisige digitale Strategie mit dem Ziel, Israel und jüdische Gemeinschaften weltweit einer ständigen kognitiven und emotionalen Destabilisierung auszusetzen.
So wie Israel physisch von einem „Ring des Feuers“ (Iran, Hisbollah, Huthi, Hamas) umgeben ist, so entsteht nun ein kognitiver Ring des Feuers, der darauf abzielt, die öffentliche Meinung zu formen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu untergraben und Polarisierung zu vertiefen.
Dieser kognitive Ring reicht weit über das Mittelmeer hinaus. Er umfasst die Infiltration von katar-finanzierten Medienhäusern im Westen, die Radikalisierung von Universitätscampussen durch verzerrte Narrative, sowie ideologisch aufgeladene Forschungsinstitute, die inzwischen als Knotenpunkte judenfeindlicher Haltungen fungieren. Hinzu kommen koordiniert gesteuerte Kampagnen auf Social Media und Peer-to-Peer-Plattformen, in denen zu Einzeltäter-Attacken aufgerufen wird.
Die Grenzen sind verwischt. Die Akteure sind vielfältig. Doch die Botschaft ist klar:
Nicht nur Israelis – sondern Juden allgemein werden zum Feind erklärt.
Der tragische Angriff in Washington wurde möglicherweise nicht direkt von ISNAD befohlen. Doch das spielt in der kognitiven Kriegsführung keine Rolle. Aufwiegelung erfolgt nicht über Befehlsketten, sondern wirkt wie Nebel – diffus, allgegenwärtig, atmosphärisch. Sie durchdringt Bedeutungen, verwandelt Parolen in Signale, Chaos in Klima.
Hier liegt die grösste Dringlichkeit:
Jüdische Gemeinschaften weltweit sind auf diese Form der Bedrohung nicht vorbereitet.
Sie sind es gewohnt, Antisemitismus mit juristischen Mitteln, Bildung und Medienarbeit zu begegnen. Doch das Schlachtfeld hat sich verändert. Wenn Netzwerke wie ISNAD Aufwiegelung spielerisch gestalten, emotionale Sprache manipulieren und mit Verschlüsselung und Anonymität globale Reichweite aufbauen, versagen herkömmliche Verteidigungsstrategien.
Was es jetzt braucht, sind neue Allianzen – nicht nur zwischen jüdischen Organisationen und Regierungen, sondern auch mit Akteur:innen aus Technologie, Nachrichtendiensten und Zivilgesellschaft.
Wir müssen diese Gefahr nicht als „Social-Media-Lärm“ abtun, sondern als koordinierte Kampagne erkennen. Und entsprechend handeln.
Dies ist ein Aufruf – nicht nur an Israel, sondern an jüdische Gemeinschaften weltweit: Baut kognitive Abwehrstrukturen. Verfolgt Netzwerke. Klärt die Öffentlichkeit auf. Übt Druck auf Plattformen aus. Kooperiert grenzüberschreitend.
Denn es geht hier nicht nur um digitale Diskurse – sondern um physische Sicherheit.
Man kann Feuer nicht mit Hoffnung bekämpfen.
Und der kognitive Ring brennt bereits.
Mehr dazu: The Blogs: The cognitive ring of fire endangering Jews everywhere