Zum Inhalt

Erik Petry: «Der Antisemitismus verschwindet nie»

Erik Petry*, Professor an der Universität Basel, erklärt im Gespräch mit der NZZ, warum der Hass auf Juden nicht auszumerzen ist. Und er zeigt auf, wann Kritik an Israel antisemitisch und in welcher Form sie legitim ist.

Prof. Dr. phil. Erik Petry
Prof. Dr. phil. Erik Petry © Uni Basel, zVg

Juden dienten seit jeher als Sündenböcke, so Petry im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung NZZ. Der Antisemitismus sei ein Instrument, um die Welt zu erklären und damit auch jemanden verantwortlich machen zu können. Auch sei Antisemitismus immer mit einer Fantasie der Vernichtung verbunden. «Antisemiten glauben, dass, wenn erst einmal die Juden weg sind, alles gut wird.» Auch würden Juden in der Gesellschaft als isoliert wahrgenommen und in bestimmten Kontexten als «Fremde» betrachtet werden, auch wenn sie den Schweizer Pass besässen.

Dämonisieren, delegitimieren, «double standard»

Mit Blick auf die BDS-Bewegung (Boycott, Divestment, Sanctions») sagt Petry: BDS greife den Staat Israel an, indem die Bewegung dessen Auflösung verlange oder Forderungen stelle, die darauf hinauslaufen würden. Ein Beispiel ist das Rückkehrrecht der Palästinenser. Dies würde bedeuten, dass heute fast sechs Millionen Palästinenser nach Israel ziehen könnten, da deren Flüchtlingsstatus aufgrund einer rechtlichen Sonderstellung vererbt wird. Die Forderung nach Boykotten habe im Kontext Israels aufgrund der jüdischen Geschichte zudem eine andere Bedeutung als bei anderen Staaten («Kauft nicht bei Juden»).

Den Antisemitismus in der Linken führt Petry etwa auf die Identifizierung der Juden mit Kapitalismus zurück: Das «Finanzjudentum», das angeblich die Weltherrschaft anstreben würde. Zudem gebe es ein antisemitisches Muster im Umgang mit Israel. Es werde ein «double standard» angesetzt. Legitime Kritik an Israel und Antisemitismus grenzt er über die sogenannte 3D-Formel voneinander ab: Dämonisieren, delegitimieren, «double standard»

So gebe es in den israelischen Medien massive Kritik an der Politik Netanyahus. Aber dort behaupte niemand, der Ministerpräsident handle, wie er handle, weil er Jude sei. Auch schwinge in der Israel-Kritik ein Delegitimieren Israels mit. Niemand spreche von «Russland-Kritik» per se, trotz des Kriegs gegen die Ukraine und niemand sage, man solle vielleicht die USA auflösen nach dem Sieg Donald Trumps.

Extreme Rechte denkt völkisch – in dieser Ideologie haben Juden keinen Platz

Dass in rechten Bewegungen wie den Identitären weniger Antisemitismus herrsche, bezweifelt Petry, auch wenn dieser bei diesen als weniger zentral erscheine. Er führt dies eher als Abgrenzung gegenüber Muslimen und der Wokeness der Linken zurück. Petry bezweifelt, dass die extreme Rechte die jüdische Bevölkerung als genuinen Teil einer Gesellschaft sehen würde. «Sie denken völkisch – und in dieser Ideologie haben Juden schlicht keinen Platz.»

*Prof. Dr. phil. Erik Petry ist Experte für Antisemitismus und forscht seit 26 Jahren in Basel. Er ist Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Judaistische Forschung und sitzt im Vorstand der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA).

Zum Interview in der NZZ vom 27.11.: «Die Angst vor den Italienern ist völlig verschwunden. Aber der Antisemitismus? Der verschwindet nie»

Aktuelle Nachrichten