Zum Inhalt

Die Israel-Obsession

Die PR-Maschinerie der Hamas hat den Westen aus dem Gleichgewicht gebracht

Von Andrew Fox

Wenn ein Staat herausgegriffen, dämonisiert und nach Massstäben beurteilt wird, die für niemanden sonst gelten, befinden wir uns im Bereich der Pathologie. Die Israel-Obsession ist eine reale, sich rasch ausbreitende Krankheit – und sie hat den Westen längst voll erfasst.

Einige bezeichnende Beispiele: Irland und andere Länder drohen mit einem Boykott des Eurovision Song Contest, falls Israel auftritt. Spaniens Premierminister sagt nebenbei, er wünschte, sein Land hätte Atomwaffen, um sie gegen Israel einzusetzen. In den Niederlanden versinkt das Parlament in Chaos wegen Gaza. Und Hollywood-Stars verkünden theatralisch, dass sie mit israelischen Firmen aus „moralischen Gründen“ nicht mehr arbeiten wollen. Auf den ersten Blick wirken diese Episoden absurd, fast lächerlich – Eurovision-Kapriolen, politisches Posieren, tugendhafte Selbstdarstellung und die westliche Obsession, sich im Nahostkonflikt zu profilieren.

Doch nichts davon ist zufällig. All dies wurzelt in eigenen historischen Erfahrungen: Terrorismus, Antisemitismus, postkoloniale Schuldgefühle – und wird nun von Hamas-Propaganda geschickt ausgenutzt, um sich gegen den jüdischen Staat zu richten.

Das ist nicht harmlos.

Irlands Haltung zur Eurovision kleidet sich in die Sprache moralischen Gewissens. Doch die irische Geschichte mit Terrorismus – insbesondere die IRA und die Sympathie für „Widerstandsbewegungen“ – hat ein politisches Klima geschaffen, das Gewalt im Ausland romantisiert. Hamas passt dort instinktiv ins Bild. Die Solidarität gilt nicht den israelischen Zivilisten unter Beschuss, sondern jenen, die Massaker und Vergewaltigungen verüben und wiederholt Angebote für einen eigenen Staat ablehnen.

In Spanien wiederum tönt Premier Pedro Sánchez mit seiner Fantasie von Atomwaffen gegen Israel völlig verstört. Doch Spaniens Geschichte kennt eine der längsten und hässlichsten Traditionen des Antisemitismus in Europa: von der Inquisition über Franco bis zur Vertreibung und Auslöschung jüdischen Lebens. Israels Existenz heute ruft eine alte nationale Pathologie wach: ein jüdischer, souveräner, unbeugsamer Staat – genau das, was Spanien einst zu vernichten versuchte.

Neben staatlichem Antisemitismus gibt es den globalen Rechtskrieg: Internationaler Gerichtshof, Internationaler Strafgerichtshof, endlose „Untersuchungskommissionen“. Den Haag ist zur Bühne der Verfolgung geworden. Israel wird fälschlich des Völkermords beschuldigt, während Hamas offen verkündet, die Juden „From the river tot he sea“ auslöschen zu wollen.

Auch im digitalen Raum tobt die Hetze: Stiftungen wie die Hind Rajab Foundation jagen israelische Soldaten im Ausland auf Social Media, um sie blosszustellen und ihre Existenz zu zerstören. Online-Mobs durchforsten LinkedIn oder Instagram, um junge Israelis im Ausland, Studierende oder Geschäftsleute ins Visier zu nehmen. Ziel: Israelischsein zu einer globalen Belastung machen.

Das ist keine Solidarität mit Gaza. Es ist Verfolgung von Juden.

Die gefährlichste Front dieses Krieges liegt nicht in Gaza, sondern in Washington, D.C. Eine Gallup-Umfrage zeigte Anfang Jahr, dass Israels Rückhalt bei den Demokraten auf nur noch 7 % gesunken ist – ein politisches Erdbeben.

Wenn die überparteiliche Unterstützung in den USA kippt, ändert sich Israels strategische Lage über Nacht. Hamas, Katar, Iran und Russland wissen das – und richten ihre Propaganda gezielt auf die amerikanische Öffentlichkeit. Jedes Video von Trümmern, jedes tränenreiche TikTok über „hungernde Kinder“, jede verzerrte UN-Zahl soll weniger Israel als vielmehr die amerikanische Politik treffen.

Der Plan geht auf.

Dabei gilt festzuhalten: Israel hat in Gaza rechtlich kaum etwas falsch gemacht. Die IDF ergriff beispiellose Massnahmen zum Schutz von Zivilisten – Warnungen per Flugblätter, Telefon, SMS, humanitäre Korridore, Kampfpause. Es gibt keinen Präzedenzfall in der modernen Kriegsführung für derartiges Vorgehen. Nicht im Irak, nicht in Afghanistan, nicht in Syrien, nicht in der Ukraine. Und doch ist es Israel, das der „absichtlichen Hungersnot“ und des Völkermords bezichtigt wird.

Wo israelische Soldaten Verbrechen begangen haben, geschah es vereinzelt, nicht systematisch. Jedes Militär kennt schwarze Schafe. Der Unterschied: Israel untersucht und bestraft sie. Hamas dagegen baut Tunnels unter Spitälern, feuert Raketen aus Schulen und inszeniert ihre eigenen Kriegsverbrechen für die Kamera.

Die Doppelmoral ist erschütternd.

Hamas versteht den Westen besser als der Westen sich selbst. Sie weiss, dass sie die IDF militärisch nicht besiegen kann. Ihr Krieg ist psychologisch – ein Narrativkrieg. Das Leid der Palästinenser wird zur Waffe, Bilder überschwemmen die Medien, Realität wird so lange verdreht, bis Israel als Täter und Hamas als Opfer erscheint.

Diese Methode ist brutal wirksam: Ein toter Kinderkörper im Bild wiegt schwerer als hundert getötete Hamas-Kämpfer ausserhalb der Kamera. Jeder Einschlag wird Content. Jede Beerdigung Theater. Hamas hat den Tod zur PR gemacht – und die Welt schluckt es.

Das ist keine „Israelkritik“. Es ist globalisierter Antisemitismus.

Wenn israelische Sportler boykottiert werden, jüdische Studierende auf dem Campus schikaniert, Synagogen beschmiert oder koschere Restaurants in Paris, Berlin oder New York verwüstet werden – dann geht es nicht um Gaza. Es geht um Juden.

BDS war immer darauf angelegt. Die Gründer sagten offen, dass ihr Ziel nicht zwei Staaten, sondern die Auslöschung Israels sei. Heute haben sie Antisemitismus als „progressiv“ in Szene gesetzt – über Gerichte, Medien und soziale Netzwerke.

Darum ist die Rede vom „Völkermord“ so brandgefährlich. Sie ist nicht nur falsch, sie ist Hetze. Sie bereitet den Boden, Israel – und damit Juden weltweit – als Täter des schlimmsten aller Verbrechen zu sehen. Damit wird Israel nicht nur delegitimiert, sondern jüdisches Leben weltweit akut gefährdet.

Das Einzige, was hier wirklich ausgerottet wird, ist die Wahrheit.

Israel hat diesen Krieg nicht begonnen. Es war die Hamas – mit dem brutalsten Massaker an Juden seit dem Holocaust. Israel hat enorme Anstrengungen unternommen, zivile Opfer zu vermeiden, während Hamas Zivilisten bewusst als Schutzschilde missbraucht. Und das internationale System – von Den Haag bis zur UNO – wird instrumentalisiert, um genau einen Staat zu verfolgen: Israel, weil es jüdisch ist.

Israel ist nicht perfekt, kein Staat im Krieg ist es. Aber Israel des Völkermords zu bezichtigen, während Hamas ihren Völkermord offen proklamiert, ist die Umkehrung von Realität. Diese Umkehrung ist die Krankheit unserer Zeit: die Israel-Besessenheit. Und sie verbreitet sich rasant.

Manche winken ab: Was soll’s, wenn Europäer beim Eurovision zetern? Was soll’s, wenn Campus-Radikale „Genozid“ brüllen? Israel bleibe doch stark, bewaffnet, widerstandsfähig.

Meine Antwort: Die Geschichte lehrt uns, solche Signale ernst zu nehmen. Dämonisierung kommt immer vor Gewalt. Lügen führen immer zu Verfolgung. Wenn Israel die parteiübergreifende Unterstützung in den USA verliert, wenn Antisemitismus in Institutionen zum Mainstream wird, wenn jüdisches Leben in Europa und Amerika erneut zerbrechlich wird, dann sind die Folgen nicht „Nebengeräusche“, sondern fatal.

Es geht nicht um Gaza. Es geht um die Zukunft des jüdischen Volkes.

Wir erleben den grössten Propagandaangriff der Moderne. Das Massaker der Hamas vom 7. Oktober war nicht nur ein Angriff auf Israel, sondern auch der Startschuss für einen globalen Narrativkrieg, der Israel isolieren, Allianzen brechen und Antisemitismus weltweit anfachen sollte. Und er war für Hamas weit erfolgreicher, als sie es je erträumt hätte.

Die Gefahr reicht über Israel hinaus. Sie bedroht die Integrität der Wahrheit selbst. Wenn Lügen so mächtig werden, dass die zurückhaltendste Militäroperation der Neuzeit als „Genozid“ etikettiert wird, dann verlieren Worte, Fakten und Recht ihre Bedeutung.

Das ist die Welt, die Hamas will. Das ist die Welt, die Antisemitismus fordert. Und wenn wir der Israel-Obsession nicht entschieden entgegentreten, dann wird es die Welt, in der wir alle leben müssen.


Andrew Fox ist Senior Fellow der Henry Jackson Society mit Spezialgebiet Verteidigung und Mittlerer Osten. Er war Lehrbeauftragter al der Militärakademie in Sandhurst und diente als Major bei den Fallschirmjägern der britischen Armee, unter andrem in Afghanistan, Bosnien, dem Mittleren Osten und Irland. Er besitzt Studienabschlüsse in Recht & Politik, Moderne Kriegsführung und Psychologie. 

Haben Sie einen Fehler entdeckt?

Fehler melden

0/2000 Zeichen

Aktuelle Nachrichten