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Das Versagen unserer «Elite»

Dass der Krieg in Nahost bei uns nicht alle im gleichen Mass interessiert, ist verständlich.  Aber bei uns allen sollten die Alarmglocken schrillen, was dieser Krieg zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas an unseren Universitäten ausgelöst hat.

Zum einen waren da die diversen Protestaktionen und Besetzungen durch linke Studenten, die sich mit Hamas solidarisierten. Zum anderen waren da die Universitätsleitungen, die diesen illegalen Aktionen oft lange Zeit hilflos und untätig gegenüberstanden. Und zum dritten waren da jene nicht protestierenden Studierenden, die durch ihr Schweigen auffielen.

Dass linke «Weltverbesserer» an Hochschulen Hochkonjunktur haben, ist nichts Neues. In den 1960er Jahren rannten sie mit ihrem roten Maobüchlein herum und verherrlichten einen der brutalsten Diktatoren des 20. Jahrhunderts, der schätzungsweise 50 Millionen Menschen seiner eigenen Bevölkerung verhungern liess oder sonstwie in den Tod schickten.

In den 1980er Jahren war es chic, nach Kuba zu reisen und dann bei der Rückkehr begeistert von diesem tollen kommunistischen Paradies in der Karibik zu erzählen. Ein «Paradies», das auf dem industriellen Niveau Mitte des letzten Jahrhunderts stehen geblieben ist und dessen Bevölkerung bis heute unter Armut leidet – sofern sie nicht in die USA geflüchtet ist.

Und jetzt gehört es für linke Studierende eben zum guten Ton, sich für eine Terrororganisation stark zu machen, die seit nahezu 20 Jahren nicht nur die Bevölkerung ihres Nachbarlandes Israel mit Tod und Vernichtung überzieht, sondern auch ihre eigene Bevölkerung in Geiselhaft ihrer eigenen unmenschlichen, radikalislamischen Politik nimmt.

Insofern könnte man achselzuckend bemerken, dass politische Dummheit bei linken Studierenden halt einfach dazu gehört. Aber die Dummheit, die sich jetzt an vielen Schweizer (und auch ausländischen) Hochschulen manifestiert, unterscheidet sich von der Dummheit ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger.

Den Mao-Apologeten und den Kuba-Romantikern konnte man zugutehalten, dass sie es nicht besser wussten. Denn in den 1960er Jahren war es nicht einfach, sich ein realistisches Bild über China zu machen. Und auch wer zwanzig Jahre später als Tourist nach Kuba einreisen durfte, konnte sich nicht ohne weiteres über die effektiven Zustände im Land des Castro-Regimes orientieren.

Heute aber, im Zeitalter der digitalen überall und jederzeit verfügbaren Informationen in Ton, Wort und Bild ist dies anders. Jeder und jede, die das will, kann über den Nahen Osten, Israel und auf Hamas aus unzähligen – glaubhaften – Quellen wissen, was Sache ist.   

Wer sich dann trotzdem noch zum Sprachrohr von Organisationen wie Hamas macht, und deren Missetaten als «Freiheitskampf» bejubelt, der ist entweder grenzenlos dumm oder aber er handelt böswillig.

Denn alles, was Hamas seit beinahe 20 Jahren macht, ist bekannt und dokumentiert: die Angriffe auf Israel und dessen Bevölkerung, die Liquidierung ihrer innerpalästinensischen Gegner, die Misshandlung von Schwulen und Frauen.

Vor diesem Hintergrund wäre es eigentlich zu erwarten gewesen, dass die Leitungen jener Hochschulen, an denen Pro-Hamas-Protestaktionen stattfanden, diese umgehend aufgelöst hätten.

Aber längst nicht alle Rektoren haben so entschlossen gehandelt, wie dies beispielsweise an der Uni Zürich der Fall war, wo eine solche Protestaktion innerhalb von Stunden beendet wurde. Stattdessen haben zahlreiche Hochschulleitungen ihr zögerliches Einschreiten mit der Verteidigung der Meinungsäusserungsfreiheit gerechtfertigt.

Wer bei Protestaktionen, bei denen es um die Vernichtung eines demokratischen Landes und dessen Bevölkerung geht, mit dem Recht auf freie Meinungsäusserung argumentiert, der hat als universitäre Führungskraft ausgedient.


Hier fehlt es offensichtlich nicht nur an Mut und Rückgrat entschlossen zu handeln. Hier fehlt es an fundamentalen Werten. Jenen Werten, die unserem eigenen Staat und Rechtssystem zugrunde liegen: Dass wir die Vernichtung von Menschenleben und Diskriminierung von Menschen nicht tolerieren, sondern uns dagegen wehren. 

Nun kann man sagen, dass auch viele Führungskräfte aus der Wirtschaft oder Politik Mühe damit haben, für diese Werte einzustehen. Und dass ausserdem die Protestaktionen an den Hochschulen auf eine kleine Zahl von Studierenden beschränkt waren.

Aber dies macht die Sache nicht besser. Weshalb hat dann die grosse Mehrheit der Studentinnen und Studenten, welche diese Proteste verurteilte, geschwiegen? Weshalb haben sie – sieht man von kleinen Gruppierungen direktbetroffener jüdischer Studenten ab – nicht gegen die Protestierenden protestiert?

Weil diese Mehrheit der nicht-protestierenden Studenten zu gleichgültig und zu feige ist. Weil sie Angst hatte, sich ihren militanten linke Kommilitonen entgegenzustellen.

So bleibt als Fazit der «Pro-Palästina»-Demonstrationen – die in Wirklichkeit «Pro-Hamas»-Demonstrationen waren: Die angebliche «Elite» an unseren Hochschulen hat, von wenigen Ausnahmen abgesehen, in jeder Beziehung versagt.

Das verheisst für unser Land nichts Gutes.

Dieser Artikel erschien erstmals im Nebelspalter vom 10. Juli 2024.

Sacha Wigdorovits ist Kommunikationsfachmann. Er studierte an der Universität Zürich Germanistik, Geschichte und Sozialpsychologie. Als Journalist war er unter anderem Redaktor des Tages-Anzeiger, USA-Korrespondent der SonntagsZeitung und Chefredaktor des BLICK. Später gründete er die Pendlerzeitung 20minuten. Nach dem 7. Oktober 2023 gründete er zusammen mit anderen Medienschaffenden FokusIsrael.ch

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