28. Mai 2025
«Club» des Schweizer Fernsehens: eine eigenartige Form von Ausgewogenheit
«Grossoffensive in Gaza: Was tut die Welt?» lautet der Titel der neuesten Ausgabe des «Clubs»: Es diskutieren die palästinensisch-schweizerische Shirine Dajani, der notorische Israel-Kritiker und SP-Co-Präsident Cédric Wermuth, Heks-Direktorin Karolina Frischkopf, Journalist Richard C. Schneider sowie Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller, Co-Präsidentin der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-Israel.
Gesprächsleiterin Barbara Lüthi, die sich vor ihrer Rückkehr in die Schweiz als langjährige Chinakorrespondentin profilierte, sagt zu Beginn ihrer Moderation, der «Club» des Schweizer Fernsehens wolle zum Thema Gaza Perspektiven zeigen und nicht Fronten. Ein hehres Ziel, das bald durch überlange und tendenziöse Aussagen der Mehrheit ihrer Studiogäste in weite Ferne rückt. Karolina Frischkopf, die Heks-Direktorin und ehemalige Diplomatin, spricht von über 470 000 Menschen, die in Gaza akut unter Hunger leiden, unterlässt es aber zu sagen, was hinter diesen Zahlen steckt. Das lesen Sie hier.
Die Palästinenserin Shirine Dajani, Mitgründerin von «Palestine Solidarity Schweiz» und vom Schweizer Fernsehen als «Friedensaktivistin» bezeichnet, hat im Gaza-Krieg ihre 12-jährige Nichte verloren und beschreibt das Leid der Zivilbevölkerung. Das Leid ist unbestritten, was alle Teilnehmer der Runde anerkennen. Die palästinensische Bevölkerung frage sich: «Wann kommt die nächste Bombe?» Und Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP Schweiz und damit der dritte Israel-Kritiker im Bunde, behauptet: «Wir haben es mit systematischen Kriegsverbrechen in Gaza zu tun. Daran gibt es nichts mehr zu zweifeln. Der Bundesrat versagt in einer kapitalen Weise, weil er nicht Stellung bezieht.»
Immer wieder bleiben pauschalisierende Aussagen unwidersprochen. Wenigstens entgegnet Mitte-Nationalrätin Marianne Binder-Keller: «Der Bundesrat hat klar eine Stellungnahme abgegeben. Israel soll die Blockade aufgeben und die Camions nach Gaza leiten.» Und dann geht die Aargauer Politikerin in die Offensive: «Was ich in dieser Diskussion vermisse, ist die Tatsache, dass die Ursache der Katastrophe die Hamas ist. Das ist eine Terrororganisation, die gegen Israel und die eigene Bevölkerung kämpft. Aber in dieser Sendung scheint Israel auf der Anklagebank zu sitzen.»
Der Journalist Richard C. Schneider, ein profunder Kenner der Region, versucht, sich zuerst verständnisvoll für beide Seiten zu positionieren. «Die israelische Regierung liefert eine Steilvorlage für alle ihre Gegner und Feinde. Über 70 Prozent der Israelis wollen die Geiseln zurück und ein Ende des Krieges. Aber wenn wir von Kriegsverbrechen reden, müssen wir die Hamas erwähnen, welche die eigene Bevölkerung als Schutzschilder nimmt und zivile Gebiete in Israel angegriffen hat.»
Karolina Frischkopf setzt zur nächsten Kritik an und sagt, die Verteilung von Hilfsgütern müsse über unparteiische Organisation erfolgen. Damit kritisiert sie indirekt die Stiftung GHF, wie das auch die Hamas tut. Binder entgegnet, es sei doch gleichgültig, von wem die Hilfe komme. Entscheidend sei, dass Hilfe eintreffe. Schneider gibt zu bedenken, dass sich die Abholstellen im Süden des Gazastreifens befinden und stellt die Frage, wie die Menschen aus dem Norden durch militärisches Gebiet Richtung Süden gelangen, um sich Proviant zu holen. In einer Videoeinspielung gibt Ifat Reshef, die israelische Botschafterin in Bern, zu bedenken, dass die Hamas Hilfsgüter verkauft, um die eigene Kriegsmaschinerie zu finanzieren. Frischkopf quittiert dieses Argument mit «Kriegsrhetorik».
Für einen Tiefpunkt in der Sendung sorgt Dajani, die unwidersprochen von «Genozid» in Gaza reden kann und behauptet: «Die extremistische Regierung in Israel hat entschieden, Menschen in Gaza verhungern zu lassen. Seit Jahrzehnten leben die Palästinenser unter illegaler, brutaler und militärischer Besatzung.» Dass die Hamas 2006 aus den palästinensischen Wahlen als Sieger hervorging, erwähnt sie nicht.
Binder gibt zu verstehen: «Die Hamas könnte die Geiseln freilassen, dann wäre auch der Krieg beendet. Die internationale Staatengemeinschaft lässt Israel mit dem Problem Hamas allein.» Wermuth sagt, dass dies eine absurde Behauptung sei. «Die internationale Gemeinschaft hat im Gegenteil zu viel zugelassen.» Der Aargauer Politiker kritisiert zudem, dass keine Journalisten in Gaza erlaubt sind. Das habe es noch nie gegeben. Schneider erteilt Wermuth eine Lektion in Geschichte und klärt ihn über den Irakkrieg auf, als die Amerikaner nur «eingebettete» Journalisten duldeten.
Es ist wiederholt Schneider, der die Zusammenhänge sieht und erklärt: «Es gibt eine einzige Person, die den Krieg stoppen kann. Die sitzt im Weissen Haus.» Und: «Wir sind Lichtjahre von einer Zweistaatenlösung entfernt.» Der Westen verstehe nicht, dass Israel noch immer vom 7. Oktober 2023 traumatisiert sei. Die israelische Gesellschaft sei nach dem Holocaust aufgebaut worden, damit solche Massenmorde nicht mehr passieren. «Und genau das ist nochmals passiert. Von diesem Schock hat sich die israelische Gesellschaft nicht erholt.»