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Moralischer Bankrott: Was der Mordversuch an einem orthodoxen Juden in Zürich bedeutet.

Vor einer Woche hat ein tunesisch-schweizerischer Muslim mit einem Messer auf einen Juden eingestochen und ihn lebensgefährlich verletzt. Der mutmassliche Täter ist 15 Jahre alt und bezeichnet sich als Islamist.

Als er zustach, soll er, so Augenzeugen, «allen Juden und Christen» den Tod gewünscht haben. Das Opfer ist ein fünfzigjähriger Schweizer Familienvater. Er ist orthodox, also gläubig, und man sieht ihm das an. Wenn er Gott sei Dank überlebt hat – dann wohl nur, weil mutige Männer ihm beigesprungen waren und den niederträchtigen Angreifer daran gehindert hatten, noch mehr Menschen anzugreifen. Der Vorfall trug sich in Zürich zu, seither steht das Land wie unter Schock.

Zu Recht. Es handelt sich um einen der schlimmsten Angriffe auf einen Juden, wie er in der Schweiz schon lange nicht
mehr vorgekommen ist; gewiss, auch in jüngerer Zeit gab es antisemitische Übergriffe, selbst Morde, doch oft wurden sie nicht ganz aufgeklärt, weshalb wir nie sicher waren, was die Motive betraf, oder man erklärte den Täter für unzurechnungsfähig.


Das letzte Mal, dass ein Jude aus eindeutig antisemitischen und politischen Gründen getötet worden war, geschah 1942 – und zwar in Payerne. Fünf Schweizer Christen hatten den Viehhändler Arthur Bloch, einen Berner Juden, in einen Hinterhalt gelockt, ihn niedergeschlagen und mit einem
Revolver in den Kopf geschossen. Um die Spuren zu verwischen, zerstückelten sie die Leiche, füllten sie in drei Milchkannen und versenkten diese im Neuenburgersee.

Die Täter, von Beruf Garagisten und Automechaniker, waren jung und gehörten einer Gruppe von Fröntlern an, wie sich damals die Schweizer Nazis nannten. Als sie gefasst wurden, gaben sie sich sogleich als solche zu erkennen. Nicht ohne Stolz – zumal sie der festen Meinung waren, sie stünden auf der richtigen Seite der Geschichte. Alle fünf wurden schliesslich vor Gericht gestellt und verurteilt. Allein jener Mann, der sie zur Tat überredet hatte, ein reformierter Pfarrer in Lausanne, kam davon, weil er sich rechtzeitig nach Deutschland abgesetzt hatte. Der überzeugte Nazi war auch dafür verantwortlich, dass die jungen Arbeiter ebenso zu Nazis geworden waren. Er hatte sie mit allerlei Propagandamaterial aus dem «Dritten Reich» geschult und vergiftet. Als der Krieg vorbei war, wurde auch er verhaftet und in die Schweiz zurückspediert, wo man ihn wegen
Anstiftung zum Mord verurteilte.

Der Judenhass, der nie verschwunden ist

Wenn sich Zeit und Umstände auch unterscheiden, so ist es doch aufschlussreich, die beiden Bluttaten zu vergleichen. 1942 herrschte Krieg – und Hitler, ein Verbrecher, war im Begriff,
den ganzen Kontinent zu erobern. Nie war der Judenhass furchtbarer, zumal sich die Deutschen vorgenommen hatten, alle Juden in Europa zu vernichten, was ihnen auch fast gelang. Sechs Millionen Juden starben.

Von solchen finsteren Zeiten kann heute sicher nicht die Rede sein, umso mehr bedrückt, dass der Judenhass, der nie verschwunden ist, sich von neuem so ungeniert austobt. Dass junge Menschen, darunter auch manche Christen oder ehemalige Christen, an Demonstrationen teilnehmen, wo offen
zum Genozid an den Juden aufgerufen wird – denn nichts anderes bedeutet der englische Code «From the River to the Sea», auch wenn semantische Appeaser sich auf den Kopf stellen – dass dies unter unseren Augen mit freundlicher Genehmigung einer rot-grünen Stadtregierung geschieht: Es ist ein moralischer Bankrott.

Wenn wir zudem wissen, dass der wahrscheinliche Täter kaum je ernsthaft bestraft werden dürfte – maximal ein Jahr Freiheitsentzug muss er fürchten, und selbst ein bedingter
Vollzug läge drin –, dann erweist sich vollends, was ich als Staatsversagen bezeichnen würde: Wir, oder genauer: unsere Politiker und Behörden, bringen es offenbar nicht mehr fertig, eine der vornehmsten Staatsaufgaben, die Herstellung von Sicherheit für alle, zu garantieren. Gewiss, einmal ist keinmal, sagen manche, und doch ahnen wir, dass ein systematischeres
Debakel hinter der Untat von Zürich steckt. Stichworte genügen: Islamismus, Einwanderungspolitik, Jugendstrafrecht.

Wir haben es weit gebracht – mit unserer Naivität, unserer Schwäche, unserer Feigheit, die sich hinter menschenrechtlichen Ausflüchten versteckt, hinter bürokratischen Rücksichten, hinter dem elitären Unwillen, realistisch zu werden.

Die drei Haupttäter von Payerne wurden 1943 mit lebenslänglichem Zuchthaus bestraft, einer galt als minderjährig (19) und erhielt 20 Jahre, einer war Komplize und bekam 15. Den Pfarrer verurteilte man zu 25 Jahren Freiheitsentzug.
 
© Kolumne von Markus Somm, 10.03.2024
Redaktion
Moralischer Bankrott – Was der Mordversuch an einem orthodoxen Juden in Zürich bedeutet
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