Israel Defense Forces IDF – ihre ethischen Richtlinien und der Krieg in Gaza

Behauptung

Israel betreibt mit dem Krieg seiner Armee IDF in Gaza «Völkermord» (Genozid) behauptet Südafrika und hat den jüdischen Staat deshalb vor dem Internationalen Gerichtshof (ICJ) in Den Haag angeklagt.

Die Fakten

Die Aufgabe der israelischen Streitkräfte Israel Defence Forces IDF (hebräisch: Zva Haganah le-Jisrael, kurz: Zahal) ist die Verteidigung der Existenz, territorialen Integrität und Souveränität des Staats Israels. Ausserdem sind die IDF verpflichtet, die israelische Bevölkerung zu schützen und jeglichen Terrorismus zu bekämpfen, der Israel und seine Bevölkerung bedroht. In ihrem ethischen Kodex «Purity of Arms» verpflichten sich die IDF, die Würde eines jeden Menschen zu schützen, auch jene ihrer Gegner. In asymmetrischen Kriegen wie jenem gegen die Terroristen in Gaza ist dies schwierig. Denn Terrororganisation nutzen Zivilisten als menschliche Schutzschilder und verstecken sich und ihre Waffen in zivilen Wohngebieten.  

Im Krieg geboren

Die am 26. Mai 1948 gegründeten IDF gingen aus jüdischen Militärorganisationen während des Unabhängigkeitskriegs Israels 1948 hervor. Nur wenige Stunden nach dessen Ausrufung am 14. Mai 1948 griffen die arabischen Armeen der fünf Nachbarländer Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon und Irak den jungen Staat an mit dem Ziel, Israel zu vernichten. Der Krieg endete im folgenden Jahr, 1949, mit einem eindeutigen Sieg Israels. 

1956 (Suezkrise), 1967 (Sechs-Tage-Krieg) und 1973 (Jom-Kippur-Krieg) musste sich Israel gegen weitere militärische Bedrohungen durch arabische Staaten wehren. Doch seit Ende der 1960er Jahre wurden auch paramilitärische Terrorgruppierungen wie die zur PLO gehörenden Al-Aksa-Brigaden und die Volksfront zur Befreiung Palästinas PFLP zu einer ernsthaften Gefahr für Israel und dessen Bevölkerung.  Später kamen dann auch die vom Iran gesteuerten Terrororganisationen Hamas und Palästinensischer Islamischer Jihad (beide in Gaza) sowie die Hisbollah (Libanon) dazu.

 

Die IDF sind eine Volksarmee 

Die fortwährende Bedrohung der Existenz Israels und seiner Bevölkerung prägt das Selbstverständnis der Armee sowie der Zivilgesellschaft. Die nationale Sicherheit ist Teil des Bewusstseins aller und ein Teil der politischen Kultur. Entsprechend gehört Militärdienst zum Alltagsleben. Frauen sind ebenso wehrdienstpflichtig wie Männer. Für männliche Soldaten zwischen 18 und 29 Jahren gilt eine Wehrdienstpflicht von 32 Monaten. Wer zu den Spezialkräften und Eliteeinheiten will, für den gelten 36 Monate. Für Frauen zwischen 18 und 26 Jahren sind es 28 Monate. Für Soldatinnen in Kampfeinheiten dauert der Dienst 36 Monate.  

Die Militärausgaben Israels beliefen sich 2022 auf rund 23,4 Milliarden US-Dollar. Damit entsprechen sie  rund 4,5 Prozent des BIP Israels. 

 

Israels Verteidigungsarmee in Zahlen 

Militärisches Personal, insgesamt

670’000

Aktive Soldaten und Soldatinnen

170’000

Reservisten

465’000

Paramilitärische Einheiten

35’000

Luftstreitkräfte

 

Jagdflieger/ Abfangjäger

241

Flieger für Bodenangriffe

39

Transportflieger

12

Spezialflugzeuge (z.B. Aufklärung)

23

Tankflieger

14

Trainerflugzeuge

155

Kampfhubschrauber

48

andere Hubschrauber

146

Landstreitkräfte

 

Kampfpanzer

1’370

gepanzerte Fahrzeuge

43’407

Artillerie

950

selbstfahrende Raketenwerfer

150

Seestreitkräfte

 

Korvetten (kleinere Kriegsschiffe)

7

U-Boote

5

Patrouillenboote

45

Nuklearwaffen

 

nukleare Sprengköpfe

90

Quelle: Global Firepower

 

 

 

 

Schutz von Zivilisten ist zentral

Die IDF haben sich dem Kodex «Purity of Arms» verpflichtet, der explizit den Schutz der Zivilisten der gegnerischen Seite verlangt. Die zentrale Botschaft des Leitfadens lautet: Für alle Menschen, egal ob es sich um Israelis oder nicht kämpfende feindliche Zivilisten handelt, gilt ein und derselbe moralische Grundsatz, der auf der Menschenwürde und dem Wert des menschlichen Lebens beruht. «Der Geist der IDF leitet sich direkt aus dem Wert der Menschenwürde ab», heisst es im Leitfaden. «Es ist der höchste moralische Wert, und er soll die IDF-Soldaten in ihrem Handeln leiten.»

Dies gilt auch für den Krieg, in den Israel am 7. Oktober 2023 von der  Hamas und dem Islamischen Jihad hineingezogen worden war. Gegen 1’300 Israelis und ausländische Staatsangehörige wurden von den aus Gaza operierenden Terrorgruppierungen massakriert, mehr als 240 Menschen wurden in Geiselhaft genommen.

Seit Kriegsbeginn griffen die Hamas und weitere Terrororganisationen zudem die israelische Zivilbevölkerung mit über 12'000 Raketen und Mörsern an, die wahllos auf israelische Städte, Ortschaften und Kibbuze im ganzen Land abgefeuert wurden.  Viele weitere Menschen wurden dadurch getötet und verletzt. Über 150’000 Israelis mussten fliehen (Stand: 16.12.2023).

Der in der Geschichte Israels beispiellose Angriff der palästinensischen Terrororganisationen führte zu einem Gegenangriff der IDF in Gaza, wo die Hamas und der Islamische Jihad ihre Hauptquartiere haben.

Die israelische Regierung und Militärführung waren sich bewusst, dass dabei auch die Zivilbevölkerung in Gaza enorm leiden würde. Sie erklärten wiederholt, dass sich ihr Krieg gegen die Hamas und die weiteren in Gaza operierenden Terrororganisationen richte, nicht gegen die Zivilbevölkerung. Weil sich Terroristen und ihre Waffen in Wohngebieten, Spitälern und Schulen sowie in einem unter dem Siedlungsgebiet gelegenen Tunnelsystem versteckten, waren und sind zivile Opfer unvermeidlich.

Die israelische Armee warnte deshalb die Zivilbevölkerung Gazas von Beginn weg vor ihren Angriffen, indem sie Flugblätter verteilte, auf Mobiltelefone in Gaza anrief und Textnachrichten verschickte sowie mit Warnschüssen («knock-on-roof»). Seit dem 7. Oktober 2023 hat Israel in Gaza 7,2 Millionen Flugblätter verteilt, auf Nummern in Gaza registrierter Mobiltelefone 13,7 Millionen SMS versendet und mehr als 15 Millionen Mal angerufen, teils mit vorher aufgenommenen Nachrichten, teils live.

Am 13. Oktober 2023 hat Israel zudem mehr als eine Millionen Menschen in Gaza dazu aufgerufen, zu ihrem Schutz in den Süden zu ziehen. Dabei nahm Israel in Kauf, dass sich so auch Hamas-Terroristen retten würden. Rund 1'120'000 Menschen sind bis heute der Aufforderung gefolgt.

Mit der Boden-Gegenoffensive in Gaza warteten die IDF bis am 24.Oktober 2023 zu. Einerseits, um Informationen über die am 7. Oktober 2023 entführten Geiseln zu sammeln. Andererseits, um den Menschen in Gaza ausreichend Zeit zu geben, in den Süden zu fliehen.

Im November 2023 richteten die IDF zeitlich beschränkt Evakuierungskorridore ein, damit mehr Menschen in den Süden ziehen können.

Im Dezember 2023 legten die IDF fast jeden Tag eine vierstündige Feuerpause ein, damit sich Zivilisten in Sicherheit bringen oder versorgt werden konnten.

 

Humanitäre Unterstützung

Die IDF überwachen den Transport von Hilfsgütern nach Gaza über die Grenzübergänge Rafah und Kerem Shalom. Die israelischen Streitkräfte sorgten dafür, dass die Menge an Hilfsgütern kontinuierlich erhöht werden konnte. So hat sich die Zahl der Lastwagen, die täglich die Grenze passieren, von durchschnittlich 70 Lastwagen pro Tag in der Vorkriegszeit auf durchschnittlich 110 Lastwagen erhöht (Stand: 12. Januar 2024).

Entgegen der Behauptung der Vereinten Nationen vom Dezember 2023, dass mehr als eine halbe Million Menschen in Gaza hungerten, gibt es laut der Koordinierungs- und Verbindungsbehörde für Gaza (COGAT) des israelischen Verteidigungsministeriums in Gaza keinen Mangel an Lebensmitteln. Allerdings sei es zu Problemen der Verteilung von Gütern durch die UNO und andere Organisationen gekommen. Zudem hat die Hamas Güter für die eigene Zivilbevölkerung mit Gewalt entwendet und, wie Videoaufnahmen belegen, für sich selber beschlagnahmt. 

Seit Kriegsbeginn sind 175’010 Tonnen Hilfsgüter nach Gaza transportiert worden. 9’500 Lastwagen haben dabei die Grenze passiert.

 

Die IDF agieren nach nationalem und internationalem Recht

Die IDF unterliegen nationalem und internationalem Recht, wie dies für Armeen demokratischer Staaten üblich ist. Israels Oberster Gerichtshof spielt seit Mitte der 1990er Jahre eine signifikante Rolle bei der zivilen Kontrolle der Armee.

Gemäss dem Humanitären Völkerrecht (HVR) dürfen in bewaffneten Konflikten nur militärische Ziele angegriffen werden. Angriffe mit Tötungsabsicht auf Zivilisten sind verboten, selbst wenn dies voraussichtlich militärische Vorteile bringen würde.

Allerdings ist es laut Völkerrecht zulässig, militärische Ziele anzugreifen und dabei den Tod von Zivilisten in Kauf zu nehmen. Dabei muss die Verhältnismässigkeit gewahrt sein. (Zur Bedeutung der Verhältnismässigkeit im Krieg erfahren Sie hier mehr.)

Wie gehen die IDF konkret vor, um nationalem und internationalem Recht gerecht zu werden? Die israelische Armee verfügt über juristische Experten, die bei der Planung einer militärischen Operation auf jeder Stufe einbezogen werden. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Prinzipien des humanitären Völkerrechts (IHL) eingehalten werden. Die entscheidende Rolle bei der Umsetzung und Einhaltung des Rechts in der israelischen Armee spielt das Korps des Militärstaatsanwalts (Military Advocate General’s Corps).

Wie die IDF einen militärischen Einsatz planen und dabei die Wahrung des Humanitären Völkerrechts Schritt für Schritt juristisch prüfen, zeigt der ausführliche Bericht über den Gaza-Krieg 2014. Eine gute Übersicht bietet Mena-Watch-Lexikon.

Gastkommentator Martin Rhonheimer schreibt in der NZZ vom 13.11.2023: «Wenn die israelische Armee die Hamas vernichten will, muss sie zivile Opfer in Kauf nehmen. Sie wird dazu gezwungen

 

Verübt Israel in Gaza Genozid?

Südafrika hat Israel wegen Völkermords in Gaza beim Internationalen Gerichtshof angezeigt. Der Internationale Gerichtshof (ICJ) – nicht zu verwechseln mit dem Internationalen Strafgerichtshof – ist ein Organ der Vereinten Nationen.

Die Klage entbehrt der rechtlichen Grundlage. Als Genozid bzw. Völkermord bezeichnet das internationale Recht Handlungen, die auf die vollständige oder teilweise Vernichtung einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe abzielen. Die Definition des Begriffs geht auf den polnisch-jüdischen Juristen Raphael Lemkin zurück, der im Holocaust bis auf wenige Ausnahme seine gesamte Familie verloren hat. 1947 arbeitete er für die UNO einen Gesetzesentwurf zur Bestrafung von Völkermord aus.

Um ein Land des Genozids zu überführen, ist die Absicht ausschlaggebend, einen solchen Völkermord verüben zu wollen. Das heisst: Südafrika muss Israel nachweisen können, dass es mit dem Krieg in Gaza explizit das Ziel verfolgt, die dortige palästinensische Bevölkerung auszulöschen oder den Küstenstreifen unbewohnbar zu machen.

Das ist ganz klar nicht Israels Ziel. Israel hat vielmehr wiederholt und deutlich erklärt, dass es das einzige Ziel ist, die Terrororganisationen in Gaza auszuschalten und die von diesen gehaltenen Geiseln des 7. Oktober zu befreien.

Entsprechend sind die Mitglieder der Hamas und des Islamischer Jihad sowie deren militärische Infrastruktur im Visier der IDF und nicht die palästinensische Zivilbevölkerung in Gaza. Israel versucht mit zahlreichen Massnahmen, die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen (siehe oben).

Vorwerfen darf man Israel aber, dass radikale Minister, welche die Auslöschung oder Vertreibung der Palästinenser fordern, nicht aus der Regierung entlassen, sondern lediglich vom Amt suspendiert hat.

Nicht anlasten kann man Israel jedoch die Opfer unter der Zivilbevölkerung in Gaza, die von Hamas als menschliche Schutzschilder eingesetzt oder an der Flucht in den Süden des Küstenstreifens gehindert werden. Dass es zu diesen Opfern kommt, ist die Schuld der Hamas und stellt keine Verletzung des humanitären Völkerrechts durch Israel dar.

Dasselbe gilt für die zivilen Opfer, die darauf zurückzuführen sind, dass die Hamas ihre Infrastruktur in Schulen, Kliniken und Wohnhäusern versteckt; denn dadurch verlieren die dort lebenden Zivilisten ebenfalls den Schutz, den das humanitäre Völkerrecht vorsieht.

Während sich Israel an das internationale Kriegsrecht hält, tritt Hamas dieses mit Füssen. Doch in der Klageschrift Südafrikas werden die Verbrechen der Hamas mit keinem Wort erwähnt.

 

Im Verhältnis weniger zivile Opfer als in anderen Kriegen

Auch die Zahlen der getöteten Zivilisten in Gaza zeigen, wie absurd der von Südafrika erhobene Vorwurf des Völkermords ist. Gemäss einer Analyse im Jewish Journal sind bei den Angriffen der IDF auf militärische Ziele in Gaza deutlich weniger Zivilisten im Verhältnis zu Nicht-Zivilsten umgekommen, als bei den kriegerischen Konflikten, in die andere westliche Armeen in den letzten Jahrzehnten verwickelt waren.

Bei den Kriegen von nicht-westlichen Armeen wie beispielsweise der russischen Armee im Ukrainekrieg, wo Zivilisten bewusst ins Visier genommen und mit Raketenangriffen terrorisiert werden, sind die zivilen Opferzahlen nochmals deutlich höher.

Bislang forderte der Krieg laut dem von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium in Gaza rund 23’700 Tote. Sind die Einschätzungen der IDF korrekt, dann haben ihre Streitkräfte per 14. Januar 2024 rund 9'000 Terroristen getötet. Auf Basis dieser Zahlen kamen auf einen getöteten Terroristen somit 1,6 tote Zivilisten. Dieser Wert ist im internationalen Kriegsvergleich tief.

Aus den Zahlen des palästinensischen Gesundheitsministeriums geht zudem nicht hervor, wie viele eigene Zivilisten durch fehlgelenkte und zu früh abgestürzte Raketen der Hamas und des Islamic Jihad getötet wurden. Diese Zahl dürfte nicht unerheblich sein, denn gemäss dem Berich erreichten rund 20 Prozent der über 11’000 auf Israel abgefeuerten Raketen ihr Ziel nicht und explodierten stattdessen noch in Gaza selbst.

Bekanntestes Beispiel dafür ist das Al-Ahli-Krankenhaus. Dort explodierte am 17. Oktober 2023 eine Rakete. Das palästinensische Gesundheitsministerium beschuldigte sofort Israel des Angriffs und sprach von 500 Toten. Eine anschliessende Überprüfung des Falls durch die USA und weitere Staaten sowie die EU ergab, dass eine in der Nähe des Spitals von palästinensischen Terroristen abgefeuerte Rakete explodiert war und dabei nicht 500, sondern 50 Menschen getötet wurden.

Erschwerend kommt bei der Berechnung ziviler Opferzahlen hinzu, dass es in der Realität oft kaum möglich ist, Terroristen von Zivilisten zu unterscheiden. Denn die Terroristen mischen sich in Gaza unter die Bevölkerung oder sind ein Teil von ihr.

Die Zahl der getöteten Menschen auf beiden Seiten ist unbestritten eine traurige Bilanz. Aber wie jeder andere Staat hat Israel das Recht auf Selbstverteidigung und Schutz seiner Bürger vor einem Gegner, der die Vernichtung Israels und Ausrottung seiner jüdischen Bevölkerung öffentlich zum Ziel erklärt hat.

Dass Südafrika stattdessen Israel des Genozids anklagt, ist, wie die New York Times schreibt «A Moral Obscenity – eine moralische Obszönität».