Fragen und Antworten zu Israel, Gaza und den Palästinensern

Frage: Begeht Israel in Gaza Völkermord?

Südafrika hat den Internationalen Gerichtshof (ICJ), aufgefordert, Israels Vorgehen in  Gaza als «Völkermord» einzustufen. Völkermord oder Genozid ist ein Kernverbrechen im Völkerrecht. Er bezeichnet die vorsätzliche Ermordung, Ausrottung oder anderweitige Vernichtung von Volksgruppen aufgrund ihrer ethnischen oder sozialen Merkmale, ihrer Nationalität oder religiösen Überzeugung. Es stimmt zwar, dass einzelne ultranationalistische Politiker in Israel gefordert haben, Israel solle die Palästinenser in Gaza vernichten. Aber deren Forderungen haben nichts mit dem Vorgehen der politischen Führung und der Armee in Gaza gemein.

Israel geht es um Sicherheit der eigenen Bevölkerung und nicht – wie es bei Genozid entscheidend ist –, um die Absicht, die Palästinenser ganz oder teilweise zu vernichten. Israel hat vielmehr wiederholt und deutlich erklärt, dass es das einzige Ziel ist, die Terrororganisationen Hamas und Palästinensischer Islamischer Jihad (PIJ) in Gaza auszuschalten und die von diesen gehaltenen Geiseln des 7. Oktober zu befreien. Entsprechend sind die Mitglieder von Hamas und Islamischer Jihad sowie deren militärische Infrastruktur im Visier der IDF und nicht die palästinensische Zivilbevölkerung in Gaza. Vielmehr warnen die IDF über verschieden Kanäle die Zivilisten in Gaza, bevor sie ein Ziel angreifen.

Hörenswert zum Thema Genozid, SRF Echo der Zeit vom 4.11.2023, Interview mit Oliver Diggelmann, Professor für Völkerrecht an der Universität Zürich, ab Min. 3:30.  

Frage: Verstösst Israel in Gaza gegen das Völkerrecht?

Das Humanitäre Völkerrecht, zu dem auch die sogenannten Genfer Konventionen gehören, regelt insbesondere den Schutz der Zivilbevölkerung im Kriegsfall. Strikte verboten sind demnach Angriffe auf die Zivilbevölkerung, wie sie im Zweiten Weltkrieg üblich waren. Zivile Objekte wie Krankenhäuser, Wohnhäuser oder Schulen dürfen nicht angegriffen werden. Es ist auch verboten, Zivilpersonen als Schutzschild für militärische Ziele zu missbrauchen oder die Bewegungen der Zivilbevölkerung so zu lenken, dass sie militärische Ziele vor Angriffen abschirmen oder Kriegshandlungen decken. Wenn eine Kriegspartei wie die Hamas also zum Beispiel ein Krankenhaus als Waffenlager benutzt oder wenn aus einem Wohnhaus Raketen abgeschossen werden, handelt es sich nicht mehr um ein ziviles Objekt, auch wenn sich trotzdem noch Zivilisten im Gebäude befinden. 

Das Humanitäre Völkerrecht erkennt des Weiteren – so tragisch dies ist – Opfer in der Zivilbevölkerung als sogenannte Kollateralschäden eines bewaffneten Konflikts an. Kollateralschäden gelten nicht als Kriegsverbrechen, sofern bei den Angriffen die Verhältnismässigkeit gewahrt wird.

In Gaza fordert der Krieg Israels gegen die Terrororganisationen Hamas und Palästinensischer Islamischer Jihad zwar Tausende von Menschenleben unter der Zivilbevölkerung. Aber im Unterschied zum Zweiten Weltkrieg sind diese Zivilisten nicht das Ziel der Angriffe. In der israelischen Armee IDF muss jeder Raketenangriff auf Ziele der Hamas im Vorfeld durch Juristen daraufhin geprüft werden, ob die zu erwartenden zivilen Opfer den Angriff rechtfertigen oder nicht.  

Des Weiteren warnt Israel entsprechend der Genfer Konventionen die Zivilbevölkerung in Gaza durch Mitteilungen und Anrufe auf die Mobiltelefone sowie den Abwurf von Flugblättern vor Angriffen auf ein bestimmtes Gebiet oder einen bestimmten Strassenzug. Zu diesen Warnungen gehört auch, dass der Bevölkerung spezielle Wege (Korridore) bekanntgegeben werden, durch die sie sich in Sicherheit bringen kann. 

Frage: Braucht es das UNO-Palästinenser-Flüchtlingshilfswerk UNWRA?

Die UNRWA ist, wie der Schweizer Aussenminister, Bundesrat Ignazio Cassis 2018 feststellte, nicht die Lösung, sondern Teil des Problems zwischen den Palästinensern und Israel. Nicht nur Cassis, sondern auch die Nichtregierungsorganisation UN Watch kritisiert dies seit vielen Jahren. Aber erst jetzt, nachdem die New York Times und das Wall Street Journal unter Berufung auf ein israelisches Geheimdienstdossier die direkte Beteiligung von UNWRA-Mitarbeitern am Massaker vom 7. Oktober öffentlich gemacht haben, werden Geldflüsse gestoppt.

Auch UN Watch hat in ihrem Bericht UNRWA’S TERRORGRAM dokumentiert, wie zahlreiche UNWRA-Mitarbeiter den Terror vom 7. Oktober gefeiert haben.

Die UNWRA muss und kann mittelfristig aufgelöst werden. Es gibt keinen Grund, weshalb palästinensische Flüchtlinge nicht wie alle anderen Flüchtlinge dieser Welt durch das Flüchtlingshochkommissariat UNHCR betreut werden sollten. Seit seiner Gründung 1950 hat das UNHCR Millionen Flüchtlingen geholfen, ein neues Leben aufzubauen.

Im Gegensatz dazu hält die UNRWA das Problem der sogenannten palästinensischen Flüchtlinge am Laufen und vergrössert künstlich die Zahl an Flüchtlingen. Seit 1948 ist diese von 750'000 auf knapp 6 Mio. gestiegen. Dies einzig und allein deswegen, weil Palästinenser im Gegensatz zu den anderen Flüchtlingsgruppen ihren Flüchtlingsstatus an die nächste Generation vererben – ungeachtet ihrer realen Situation.

Was die UNWRA in den Bereichen Bildung, Gesundheit und humanitäre Hilfe sowie in allen anderen Bereichen tut, kann genauso gut durch staatliche oder durch internationale Einrichtungen geleistet werden. Gerade im Bereich Bildung zeigt sich, wie politisch unterwandert die Organisation ist. In ihren rund 700 Schulen trichtert sie Kindern und Jugendlichen Hass auf Israel und Juden ein (siehe etwa hier oder hier). 

Frage: Ist Israel ein kolonialistisches Projekt europäischer Juden?  

Nein, und zwar aus mehreren Gründen.

Erstens bezeichnet Kolonialismus die Ausdehnung der Herrschaftsmacht europäischer Länder auf aussereuropäische Gebiete mit dem vorrangigen Ziel der wirtschaftlichen Ausbeutung. Die europäischen Juden, die das historische Palästina besiedelten, waren jedoch Flüchtlinge, keine Kolonisten. Sie vertraten auch keine Interessen ihrer Herkunftsländer. Die ersten Zionisten trafen bereits 1882 im historischen Palästina ein. Zu diesem Zeitpunkt stellten die Juden die Bevölkerungsmehrheit in Jerusalem. 1914 lebten zwischen 90’000 und 100’000 Juden in der Region.

Zweitens sind die Juden seit jeher in der Region beheimatet. So lässt sich der Beginn der jüdischen Geschichte in diesem Gebiet auf etwa 1300 v. Chr. datieren, während sich die arabische Sprache und Kultur erst im 7. Jahrhundert n. Chr. mit der Entstehung des Islam von der Arabischen Halbinsel aus in das damals christliche, byzantinische Palästina ausbreitete. Das heisst: jene Juden, die im 19. und 20. Jahrhundert ins damalige Palästina einwanderten, wo ihre Vorfahren gelebt hatten, waren auch aus diesem Grund keine Kolonialisten, sondern Rückkehrer.

Drittens handelt es sich bei mindestens der Hälfte der jüdischen Bevölkerung des heutigen Israel um sogenannte Mizrachim-Juden. Sie sind nicht europäisch, sondern ihre Familien wurden vor und unmittelbar nach der Gründung Israels aus arabischen Ländern vertrieben. Die Journalistin Lyn Julius, Mitbegründerin von Harif, einer Vereinigung von Juden aus dem Nahen Osten und Nordafrika in Grossbritannien, hat dies in ihrem Buch «Uprooted» umfassend beschrieben.  

Gerne vergessen geht überdies, dass die meisten palästinensischen Araber Nachkommen von Einwanderern aus anderen Ländern sind, die nach 1882 in die Region kamen. Dies zeigt unter anderem der Bericht Land Ownership in Palestine, 1880–1948. Gemäss dessen kam es zwischen den beiden Weltkriegen zu einer grossen Einwanderungswelle, weil nicht zuletzt die jüdische Bevölkerung Wüsten- und Sumpfgebiete im kaum bevölkerten Land erfolgreich bewirtschaftet hatte und damit für Arbeit sorgte. In Petach-Tikwa (Tor der Hoffnung) wurde 1878 die erste jüdische Bauernsiedlung gegründet. 

Frage: Ist Israel ein Apartheidstaat?

Apartheid ist laut internationalem Strafrecht, einschliesslich der Anti-Apartheidkonvention von 1974 (Artikel 2) und des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 (Art. 7 Abs. 2 j), definiert als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das aus drei Elementen besteht:  
1.  Die Absicht einer ethnischen Gruppe, eine andere zu dominieren; 
2. die systematisierte Unterdrückung der dominanten Gruppe gegenüber der marginalisierten Gruppe und 
3. besonders schwerwiegende Verstösse in Form unmenschlicher Behandlung 

Keines dieser Elemente trifft auf Israel zu. Israel ist eine Demokratie. Alle Israelis verfügen über die gleichen Rechte, ungeachtet der Herkunft, der Ethnie, des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung. (Dies im Gegensatz zu den Rechten, über die die Menschen in Gaza und den umliegenden Nachbarländern verfügen, wo beispielsweise Homosexualität nicht toleriert wird und die Frauenrechte stark beschränkt sind). Israel ist ein Rechtsstaat mit einer funktionierenden Gewaltenteilung. Meinungs-und Pressefreiheit sind gewahrt. 
 
Über ein Fünftel der Israelis sind arabisch. Arabische Israelis sind in der Knesset, dem israelischen Parlament, vertreten. Mit der Vereinigten Arabischen Liste (Ra'am) schaffte es 2021 die erste arabische Partei in die Regierung, wobei diese eine islamistische, anti-zionistische Politik vertritt.  

Seit 2022 amtet mit Khaled Kabub der erste muslimisch-arabische Israeli am Obersten Gericht sowie weitere christlich-arabische Israeli. Von 2017 bis 2023 präsidierte mit Esther Hayut die dritte Frau den Obersten Gerichtshof. Der Oberste Gerichtshof schützt wie die Gerichtsinstitutionen anderer Demokratien Rechtsstaatlichkeit und individuelle Rechte. Weil Israel jedoch nicht über eine schriftliche Verfassung oder ein Grundgesetz verfügt, kommt dem Gerichtswesen in Israel eine besonders gewichtige Rolle zu. Der Oberste Gerichtshof kritisiert die israelische Politik mit seinen Urteilen immer wieder scharf. Anfang 2024 kippte er das Kernelement der sogenannten Justizreform, mit der Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine rechtsnationalen-religiösen Kabinettsverbündeten die Gewaltenteilung auszuhebeln drohten. Zuvor waren die Israelis über Monate zu hunderttausenden gegen die Reform auf die Strassen gegangen.    

Arabische Israelis sind auch generell in vielen Teilen der Gesellschaft gut integriert. Etwa in der Medizin. Gemäss Daten des Gesundheitsministeriums für das Jahr 2020 machten arabische Israelis  46 Prozent der neu ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte aus, bei Krankenschwestern und Pflegern waren es sogar 50 Prozent (im Jahr 2000 waren es gerade neun Prozent). Mehr als die Hälfte der Zahnärzte (53 Prozent) und sogar 57 Prozent der Apotheker sind arabische Israelis. 

Auch die Situation in Gaza und im Westjordanland hat nichts mit Apartheid zu tun:

2005 hat sich Israel komplett aus Gaza zurückgezogen. Seit der Machtübernahme der Hamas 2007 sieht sich Israel allerdings dauernd mit Anschlägen und Raketenangriffen aus Gaza konfrontiert. Aus Sicherheitsgründen riegelte Israel die Grenze zu Gaza ab, wie dies im Übrigen auch Ägypten getan hat.

Vor zwei Jahren begann Israel die Blockade zu lockern und erteilte mehr und mehr Palästinensern die Erlaubnis, in Israel zu arbeiten. Über 18’000 waren es schliesslich, die täglich zur Arbeit über die Grenze pendelten. Ein Fehler, wie wir heute wissen. Viele von ihnen kamen, um ihre Arbeitgeber und die Situation vor Ort auszuspionieren. Das grausame Massaker vom 7. Oktober war von langer Hand geplant.

Im Westjordanland regiert seit 2006 die palästinensische Autonomiebehörde unter Mahmoud Abbas von der Fatah – und nicht die israelische Regierung.

Zu Recht als illegal kritisiert wird aber – sowohl in Israel selbst als auch im Ausland – Israels Siedlungspolitik im Westjordanland. Denn diese Politik erschwert zunehmend eine Zwei-Staaten-Lösung, wie sie die UNO 1947 beschlossen hat. Aber auch diese hat nichts mit Apartheid zu tun.

Frage: Wie viele Palästinenser sind auf der Flucht?

Die grosse Mehrheit der Palästinenser sind keine Flüchtlinge, auch wenn bei der UNRWA heute 5,9 Mio. palästinensische Flüchtlinge registriert sind. Denn als einzige Gruppe von Flüchtlingen weltweit gelten im Falle der Palästinenser auch die Nachkommen der Flüchtlinge von 1948 als Flüchtlinge. Das heisst, entgegen der Genfer Flüchtlingskonvention vererben die Palästinenser (als einzige)  ihren Flüchtlingsstatus. 1948 flohen rund 750'000 Araber aus der Region bzw. haben diese verlassen oder ihr Land verkauft. Dies geschah im Zuge des israelischen Unabhängigkeitskrieges, während dem die Armeen von Syrien, Jordanien, Ägypten, Libanon und Irak den neugegründeten israelischen Staat vernichten wollten.

Von diesen 750'000 Arabern sind heute je nach Schätzung 50'000 bis 70’000 am Leben. Sie sind echte Flüchtlinge im Sinne der UNO-Flüchtlingskonvention. Ihre Nachfahren aber, also die restlichen 5,8 Mio. Palästinenser, die diesen Status beanspruchen, sind es nicht.  

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