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Der Tod eines Aufrechten

Von Sacha Wigdorovits

Es gibt einen Satz im Judentum, der lautet: «Wer ein Leben rettet, der rettet eine ganze Welt.» Nun mag es auf den ersten Blick merkwürdig anmuten, einen Nachruf auf den am Freitag, 19. September 2025 im Alter von nicht ganz 64 Jahren verstorbenen Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer mit diesen Worten zu beginnen.

Aber er ist in doppelter Hinsicht berechtigt. Erstens, weil «Fredi Heer», wie er allgemein genannt wurde, durch seinen unermüdlichen und unerschrockenen Einsatz gegen Antisemitismus und für Israel alles getan hat, um jüdisches Leben zu retten. Zweitens, weil die tiefere Bedeutung dieses Satzes auch darin liegt, dass in unserer Welt jeder Einzelne zählt.

Dies galt für Fredi Heer mehr als für die meisten von uns. Viele Politiker – und Nicht-Politiker –verstecken oft ihre wahren Überzeugungen, weil sie die Reaktion darauf fürchten. Fredi Heer hingegen ist immer offen und ohne Rücksicht auf Verluste zu dem gestanden, woran er glaubte. 

Dazu gehörte, die Menschen frei von Vorurteilen nach ihrem Handeln zu beurteilen. Und sich in aller Deutlichkeit gegen Hass, Ungerechtigkeit und irreführende Relativierungen ebenso wie gegen demagogische Vereinfachungen oder Verdrehungen einzusetzen. 

Damit ist Fredi Heer nicht nur bei seinen politischen Gegnern, sondern bisweilen auch innerhalb seiner Partei angeeckt. Aber dies hat ihn nicht beirrt. Fredi Heer stand immer zu seinen Überzeugungen. Er war ein Aufrechter, ein Mutiger, wie sie selten sind. 

Wer auf einem öffentlichen Podium Fredi Heer an seiner Seite hatte, der konnte beruhigt jeder verbalen Auseinandersetzung entgegensehen. Fredi Heer war thematisch sattelfest, scharfzüngig und unerschrocken. Ein Partner, wie man sich ihn in jedem Kampf wünscht.

Davon profitierten in der Schweiz vor allem auch wir Juden, denn Fredi Heer hat sich als Politiker ebenso wie als Präsident der Audiatur Stiftung immer gegen Antisemitismus eingesetzt. In den letzten Jahren ganz besonders.

Es profitierte aber auch der Staat Israel. Denn als Europaparlamentarier wurde Fredi Heers Stimme auch auf dem internationalen Parkett gehört. Dabei scheute er sich nicht, im Europarat mit scharfen Worten jene zu geisseln, die nach dem Massaker vom 7. Oktober und dem darauffolgenden Krieg in Gaza versuchten, Israel, statt Hamas an den Pranger zu stellen. 

Noch unmittelbar vor seinem unerwarteten, plötzlichen Tod zog er in der «Weltwoche» deshalb über die von der EU beabsichtigten Sanktionen gegen Israel her.

Und vor allem profitierte unser Land als Ganzes von ihm. Denn es sind Politiker wie Fredi Heer, denen wir vertrauen können. Dies zeigte sich auch in den anerkennenden Worten und im Respekt, mit dem frühere politische Gegner auf die Nachricht von seinem Tod reagierten.

Diese Anerkennung war insbesondere Fredi Heers Wesen gezollt. Bei allem leidenschaftlichen Einstehen für seine Überzeugungen blieb Fredi Heer stets offen. Sein Auftreten war nicht durch Arroganz, Überheblichkeit und Besserwisserei gekennzeichnet, sondern durch Nahbarkeit, Bescheidenheit und Humor.

Fredi Heer war das, was wir auf Jiddisch als «a mensch» bezeichnen – und zwar als einen ganz besonderen. Dafür, für seinen Einsatz für die Schweiz und für sein Einstehen für uns Juden in einer Zeit, in der dies hierzulande nicht besonders populär ist, gebührt ihm unser aller Dank.


Sacha Wigdorovits ist Präsident des Vereins Fokus Israel und Nahost, der die Webseite fokusisrael.ch betreibt. Er studierte an der Universität Zürich Geschichte, Germanistik und Sozialpsychologie und arbeitete unter anderem als USA-Korrespondent für die SonntagsZeitung, war Chefredaktor des BLICK und Mitbegründer der Pendlerzeitung 20minuten. 

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