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Teilstopp der Waffenlieferungen: Bundeskanzler Merz unter Beschuss

Von Reto E. Wild

«Es ist keine Übertreibung, wenn wir feststellen: Die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland sind ausgezeichnet. Aber wir wollen diese Verbindungen und das Vertrauen zwischen unseren Völkern weiter stärken. Wir wollen unsere Partnerschaft noch weiter festigen.» Dies sagte nicht der amtierende deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (69), sondern seine Parteikollegin Angela Merkel (71) 2008 anlässlich des 60. Geburtstags der Staatsgründung Israels in der Hauptstadt Jerusalem vor der Knesset.

Deutschland und Israel nahmen erst vor 60 Jahren, am 12. Mai 1965, diplomatische Beziehungen auf. Diese Beziehung ist komplex und von der deutschen Schuld am Holocaust geprägt. Die Bundeskanzlerin sagte damals: «Das Bewusstsein für die historische Verantwortung und das Eintreten für unsere gemeinsamen Werte – das bildet das Fundament der deutsch-israelischen Beziehungen von ihren Anfängen bis heute.» 

Die historische Verantwortung nannte die damalige Bundeskanzlerin mit Namen: «Der im deutschen Namen verübte Massenmord an sechs Millionen Juden hat unbeschreibliches Leid über das jüdische Volk, über Europa und die Welt gebracht. Die Shoah erfüllt uns Deutsche mit Scham.» Letztlich hat die systematische Verfolgung und Ermordung von Juden während des Zweiten Weltkriegs eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des Staates Israels gespielt.

Und jetzt: CDU-Kanzler Merz verkündete einen teilweisen Stopp von Rüstungsexporten an Israel. Er begründete dies damit, dass man vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern genehmige, «die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können». Anlass sei die Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts vom 7. August 2025 gewesen, die Militäroffensive im Gazastreifen beträchtlich auszuweiten und eine Belagerung der Stadt Gaza einzuleiten, schreibt Merz. «Diese Entscheidung besorgt die Bundesregierung sehr.»

Israel, das seit Oktober 2023 Rüstungsgüter für gegen 500 Millionen Euro aus Deutschland bezogen hat, müsste sich angesichts dieses Paradigmenwechsels der deutschen Regierung ebenso sorgen. Doch die Ankündigung von Merz führte auch in dessen eigenem Land zu Protesten. Nicht bloss bei der in die Bedeutungslosigkeit abgestürzten FDP, die kritisierte: «Die Unterstützung für Israels Sicherheit muss deutsche Staatsräson bleiben.» Sondern auch bei der CDU-Schwesterpartei CSU, die über den Kurswechsel des Bundeskanzlers vor der Ankündigung nicht einmal informiert worden war. Sie drängt jetzt darauf, dass im Bundessicherheitsrat noch einmal über die Waffenlieferungen an Israel gesprochen wird. Einen Rechtsanspruch gebe es jedoch nicht, meint Isabelle Ley, Expertin für Sicherheitsverwaltungsrecht. 

Selbst in seiner eigenen Partei CDU wird Merz in der Öffentlichkeit ungwöhnlich scharf kritisiert. Boris Rhein (53), Ministerpräsident von Hessen und Parteikollege von Merz, schreibt auf X: «Die Position der CDU Hessen ist glasklar: Wir stehen uneingeschränkt an der Seite Israels. Die Sicherheit Israels ist und bleibt deutsche Staatsräson. Wir unterstützen deshalb das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegen den Terror. Dafür gehört für mich auch sehr klar, Israel militärisch zu unterstützen.» Er sei nach wie vor überzeugt, die Hamas stelle man nur im Kampf, nicht am Konferenztisch. «Wir müssen Israel weiter ausrüsten.» 

Andere Parteikollegen werfen Merz mangelnde Kommunikation und einseitiges Handeln vor. Merz entgegnete in den «Tagesthemen» auf ARD: «Ich habe diese Entscheidung nicht allein getroffen, aber ich verantworte sie allein.» Es gehe um «ganz grundsätzliche Haltungsfragen».

Der Kanzler ist auch in der Bevölkerung zunehmend unbeliebter. Nach just 100 Tagen im Amt befinden sich die Umfragewerte von Merz auf einem neuen Tiefpunkt. Im ARD-Deutschlandtrend von August 2025 sank die Zufriedenheit auf noch 32 Prozent – ein Minus von zehn Prozentpunkten gegenüber dem Vormonat. 65 Prozent der Bevölkerung sind mit seiner Arbeit unzufrieden. Das sind noch schlechtere Werte als die seines Vorgängers Olaf Scholz. Merz könnte die Worte von Merkel brauchen, die damals ihre Rede in Jerusalem mit «Masal tov» beendete – «viel Glück!»

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