4. Juli 2025
Matthias Herdegen: Israels Präventivschlag gegen Irans Atomprogramm war legitim
Die jüngsten Verwerfungen der internationalen Ordnung – Russlands Angriffskrieg, Chinas Drohgebärden gegen Taiwan, Trumps Attacken auf die Welthandelsordnung, der Terror gegen Israel – erschüttern das Vertrauen in das Völkerrecht als Ordnungsrahmen der Staatenwelt, schreibt Matthias Herdegen, der Völkerrecht an der Universität Bonn lehrt.
Angesichts der gezielten israelischen und amerikanischen Luftschläge gegen Irans Nuklearanlagen im Rahmen der Operation «Rising Lion» brandete insbesondere im deutschsprachigen Raum ein Chor empörter Völkerrechtler auf, die den Einsatz pauschal als «eindeutig völkerrechtswidrig» verurteilten. «Nach den ersten Eilmeldungen zur israelischen Operation ‹Rising Lion› hat ein ganzer Chor selbstgewisser Völkerrechtsexperten (und solcher, die sich dafür halten) der Welt verkündet, dass Iran soeben Opfer eines ‹eindeutig völkerrechtswidrigen› Angriffs geworden sei», schreibt er.
Doch diese moralischen Evidenzurteile, so Herdegen, verstellen den Blick auf die rechtliche und sicherheitspolitische Komplexität. Die iranische Bedrohung sei real – mit offen erklärter Vernichtungsabsicht und dem heimlichen Aufbau atomarer Trägersysteme. «Hermetisch abgeriegelte Diktaturen und Terrororganisationen werden einen vernichtenden Angriff nicht rechtzeitig ankündigen.»
Deshalb sei ein eng gefasstes Verständnis des Selbstverteidigungsrechts untauglich für die Realität asymmetrischer Bedrohungen. Ohne verlässliche Schutzgarantie des Uno-Sicherheitsrats dürfe das Gewaltverbot nicht zum tödlichen Dogma werden. «Der Verzicht auf militärische Gewalt steht nur dann mit dem Selbsterhaltungsinteresse der Staaten in Balance, wenn das Völkerrecht nicht immer die Tür zur Abwehr existenzieller Bedrohungen erst unmittelbar vor dem Vernichtungsschlag öffnet.»Gerade weil das Völkerrecht keine romantische Wunschordnung, sondern ein Instrument zur Sicherung von Frieden und Freiheit ist, brauche es eine gewisse Elastizität in der Normanwendung – nicht Starrheit, sondern Mass und Abwägung. Nur dann bleibt es politisch wirksam.
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