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Jetzt schweigen sie – ein Kommentar von Sacha Wigdorovits

Von Sacha Wigdorovits [1]

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres, der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und zu guter Letzt sogar der deutsche Aussenminister Johann Wadephul, um nur einige zu nennen: Keiner sparte mit Vorwürfen an die Adresse Israels, es verletze das Völkerrecht, weil im Gazakrieg auch die Zivilbevölkerung leidet. 

Dass dieses Leiden hauptsächlich der Terrororganisation Hamas geschuldet ist, weil sie die eigenen Zivilisten als lebende Schutzschilde missbraucht und Hilfsgüterlieferungen stahl, um sie für teures Geld der eigenen Bevölkerung zu verkaufen: Nebensache für diese selbstgerechten Kritiker. 

Der Internationale Strafgerichtshof ICC, der eigentlich gar nicht zuständig wäre, schrieb den israelischen Premier Benjamin Netanjahu sogar als mutmasslichen Kriegsverbrecher zur Fahndung aus.

Und das Führungspersonal von politischen Parteien wie der SP Schweiz bezichtigte Israel des Genozids und der Kriegsverbrechen. Dies zwar in völliger Unkenntnis der Sachlage und der Bedeutung dieses Wortes, aber dafür im Brustton der Überzeugung. Das reicht ja, um heute Politik zu machen. 

So schön, so gut – oder eben nicht.

Denn angesichts dieser Vielzahl von (Vor-)Verurteilungen und Mahnungen an die Adresse Israels fragt es sich: Wieso sind denn jetzt alle still?

Seit ein paar Tagen greift nämlich der Iran mit Raketen und Drohnen immer wieder zivile Wohngebiete in Israel an, von Tel Aviv über Jerusalem bis Haifa. In Beerscheba wurde auch ein Spital angegriffen und massiv beschädigt.

Während Israel, so wie früher in Gaza, mit seinen Luftangriffen im Iran gezielt gegen militärische Ziele vorgeht, haben die Gegenangriffe des Irans nur einen Grund: Die Zivilbevölkerung des verhassten jüdischen Staates zu terrorisieren und zu vernichten.

Artikel 51 der Zusatzprotokolle zu den Genfer Konventionen verbietet strikte solche gezielten Angriffe auf Zivilisten. 

Sie gelten als Kriegsverbrechen.

Aber haben Guterres, Sánchez, Macron und Wadephul den Iran deshalb auch nur mit einem Wort verurteilt? 

Hat der Internationale Strafgerichtshof ICC gegen den iranischen Machthaber Ayatollah Ali Chamenei ein Verfahren eröffnet? 

Hat die SPS den Iran deswegen des Genozids an den Juden bezichtigt?

Natürlich nicht. Bei all den Genannten herrscht bezüglich der Kriegsverbrechen, welche der Iran derzeit begeht, Schweigen.

Und bezüglich den Schweizer Sozialdemokraten ist dies nicht einmal alles. Eines ihrer prominenten Mitglieder, der ehemalige Schweizer Botschafter im Iran, Tim Guldimann, hatte in einem BLICK-Interview sogar den Nerv, Israel wegen seines Angriffs auf die iranischen Atomanlagen der Völkerrechtsverletzung zu bezichtigen.

Denn, so Guldimann, dieser Angriff sei kein Präventivschlag im Sinne des Völkerrechts, weil für Israel noch gar keine unmittelbare Bedrohung vorliege. Der Iran habe nämlich noch gar keine Atombombe. (Anmerkung: Er war bis zum Angriff Israels erst kurz davor eine solche zu bauen).

Guldimann bezieht sich dabei auf die UNO-Charta, der zufolge ein Präventivschlag nur erlaubt ist, wenn ein gegnerischer Angriff unmittelbar bevorsteht.

Das heisst: Israel hätte gefälligst warten müssen, bis der Iran im Besitz einer Atombombe ist und seine Raketen damit bestückt hat, um sie auf Tel Aviv abzufeuern. Erst dann hätte es den Iran angreifen dürfen.

So etwas vorzuschlagen, könnte man auf gut Jiddisch als «Chuzpe – Unverfrorenheit» bezeichnen.

Aber im Falle von Guldimann wäre dies naiv.

Bei Guldimann und seiner Partei, der SP, illustriert diese Forderung die tiefe Abneigung, um nicht zu sagen: den Hass auf Israel.

Kommt noch hinzu: Guldimanns Argumentation ist nicht nur zynisch und menschenverachtend. Sie ist angesichts der Ereignisse im Nahen Osten völkerrechtlich auch völlig falsch. 

Zu Deutsch: Guldimann hat dem BLICK Quatsch erzählt.

Denn die UNO-Regelung für Präventivschläge, auf die sich Guldimann bezieht, gilt nur für Angriffe, bevorein Krieg begonnen hat.

Aber genau dies ist beim Konflikt zwischen dem Iran und Israel nicht der Fall.

Dieser Krieg ist so alt wie das Regime der Ayatollahs selbst. Denn die Auslöschung des jüdischen Staates ist seit jeher eine «raison d’être» der islamischen Republik.

Dies haben die iranischen Machthaber nicht nur verbal immer wieder bekräftigt. Sie unternehmen auch schon seit Jahrzehnten alles, um ihr Versprechen wahrzumachen, Israel zu vernichten.

Aus diesem Grund hat der Iran im Libanon seine Stellvertretermiliz Hisbollah militärisch bis an die Zähne bewaffnet und immer wieder in den Kampf mit Israel geschickt. Und aus diesem Grund unterstützt er in Gaza die Hamas bei ihrem Terrorkampf gegen Israel.

Mit anderen Worten: Der Iran führt schon seit Jahrzehnten Krieg gegen Israel. Neu daran ist seit letztem Jahr nur, dass er diesen Krieg nicht mehr seinen Vasallen Hisbollah und Hamas delegieren kann, weil sie von Israel massiv dezimiert wurden. Stattdessen muss er ihn seit April 2024, als er Israel mit Raketen, Marschflugkörpern und Drohnen angriff, auch selbst führen. 

Aber es ist und bleibt der gleiche Krieg.

Deshalb war der Angriff der Israelis auf die Anlagen, in denen die Iraner ihre Atombombe bauen, kein Präventivschlag in Sinne der UNO-Charta. Er war eine militärische Aktion im Rahmen eines schon viel früher begonnenen Krieges gegen den Iran, bei dem die Existenz des jüdischen Staates auf dem Spiel steht.

Während es an der Zeit wäre, dass Guterres, Sanches, Macron, Wadephul & Co. angesichts der iranischen Kriegsverbrechen reden, hätte Guldimann deshalb besser geschwiegen. Aber damit hätte er natürlich sein (Partei-)Ziel nicht erreicht, Israel zu diffamieren.

Und bekanntlich heiligt der Zweck die Mittel. Vor allem, wenn es gegen Israel geht. Und vor allem, wenn man der SP angehört.

Hinweis: Dieser Kommentar erschien auch auf Nebelspalter.ch Nebelspalter | Alle Themen


[1] Sacha Wigdorovits ist Präsident des Vereins Fokus Israel und Nahost, der die Webseite fokusisrael.ch betreibt. Er studierte an der Universität Zürich Geschichte, Germanistik und Sozialpsychologie und arbeitete unter anderem als USA-Korrespondent für die SonntagsZeitung, war Chefredaktor des BLICK und Mitbegründer der Pendlerzeitung 20minuten. 

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